Für Golfstaaten hat der Ölpreis die Schmerzgrenze erreicht. Selbst Saudiarabien muss erstmals seit dem Arabischen Frühling sparen. Das wird wohl auch die Opec nicht ändern.
Wien. Wenn am morgigen Donnerstag die Ölminister der Opec-Länder in Wien zusammentreffen, wird ein wenig mehr von ihnen erwartet als sonst. Seit sich die USA vom weltgrößten Ölverbraucher zu einem ernsthaften Produzenten gewandelt haben, ist zu viel Öl auf dem Markt und der Preis im freien Fall. Allein seit Juni sank der Ölpreis um knapp ein Drittel. Die zwölf Mitglieder des Opec-Kartells trifft das besonders hart. Schließlich liefern sie immer noch vier von zehn Fass Erdöl, die weltweit gehandelt werden. Monatelang haben die Ölscheichs dem Treiben mehr oder weniger untätig zugesehen, nun sind sie zum Handeln gezwungen. Denn der Ölpreis ist so niedrig, dass viele Staaten ihre Ausgaben nicht finanzieren können.
Mit dem Durchschnittspreis des heurigen Jahres kommen neben Russland und Venezuela etwa auch die Opec-Mitglieder Bahrain, Oman, Algerien, Iran oder der Irak nicht mehr aus. Bleibt der Ölpreis noch ein wenig länger so niedrig, dürfte selbst der Ölgigant Saudiarabien ins Wanken kommen (siehe Grafik).
Arabischer Frühling kommt teuer
Damit stehen diese Länder vor einer historischen Zäsur. Bisher waren ihre Herrscher daran gewöhnt, im In- und Ausland freigiebig mit Petrodollar um sich zu werfen, um Einfluss und Macht zu sichern. Nun könnten Auslandsinvestitionen gebremst, Infrastrukturprojekte redimensioniert und Förderungen im Land gekürzt werden. Großzügige Subventionen waren bisher beliebtes Mittel der Herrscherhäuser, um das eigene Volk bei Laune zu halten. Seit dem Arabischen Frühling vor drei Jahren, der in Ägypten und Tunesien zu Unruhen und Machtwechseln geführt hat, ist das ein wenig teurer geworden. 2011 stiegen die Staatsausgaben der Ölstaaten im Nahen Osten über 700 Mrd. US-Dollar (563,57 Mrd. Euro). Seither kletterten sie jedes Jahr um weitere 15 Prozent nach oben.
Vor allem Saudiarabien gerät zusehends in die Zwickmühle. Das Land stemmt allein 30Prozent der gesamten Opec-Förderung, müsste bei der morgigen Sitzung also den Takt vorgeben. Noch kann sich das Königshaus die niedrigen Preise zwar leisten, mittelfristig sieht das jedoch anders aus. Denn Saudiarabien hat in den vergangenen Jahren besonders viel Geld in die Hand genommen, um ähnliche Aufstände wie in Ägypten und Tunesien zu vermeiden. 265 Milliarden US-Dollar haben die Saudis im Vorjahr ausgegeben, um Schulen, Krankenhäuser, Straßen und andere Infrastrukturprojekte zu bauen, schätzt der IWF. Will die größte Volkswirtschaft am Golf nicht auf ihre eisernen Reserven, den staatlichen Ölfonds, zurückgreifen oder sich verschulden, muss sie ihre Ausgaben zurückfahren.
Sparkurs der Ölscheichs träfe Österreich
Beginnt das Land wirklich zu sparen, könnte das auch viele österreichische Unternehmen treffen. Etwa dann, wenn eines der Lieblingsprojekte des Königs zu wackeln beginnt: der Bau der U-Bahn in Riad. Bis 2019 soll in der Hauptstadt ein komplettes U-Bahn-Netz aus dem Boden gestampft werden. Den 1,5 Milliarden Euro schweren Auftrag hat Siemens an Land gezogen. Gebaut werden die 74 Garnituren und Drehgestelle in Wien und Graz. Auch etliche heimische Baufirmen freuen sich (noch) über lukrative Aufträge am Golf.
Auch sie werden deshalb am morgigen Donnerstag genau darauf achten, worauf sich die Opec-Mitglieder in Wien einigen können. Groß sind die Hoffnungen auf eine entscheidende Weichenstellung aber nicht.
So wird zwar allgemein erwartet, dass die Opec erstmals seit zwei Jahren ihre Förderobergrenze deutlich absenken wird. Doch ob das den Preis wirklich beeinflussen wird, ist fraglich. Denn das Kartell wirkt mächtiger, als es ist. Schuld daran sind die Mitglieder selbst, da sie ihre Entscheidungen stets konterkarieren. 2012 hat sich die Opec offiziell eingeschworen, maximal 30 Millionen Fass am Tag zu fördern, um den Markt nicht zu überschwemmen. Im Oktober pumpten die Mitgliedsländer deutlich mehr Öl. Zum fünften Mal in Folge versuchten sie so, ihren individuellen Gewinn zu steigern. Zum fünften Mal in Folge heizten sie damit den Ölpreisverfall zusätzlich an.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2014)