Frau an Bord! Was Quoten bringen

Berlin Familienministerin Manuela Schwesig spricht am Mittwoch 05 11 2014 bei der Auftaktveransta
Berlin Familienministerin Manuela Schwesig spricht am Mittwoch 05 11 2014 bei der Auftaktveransta(c) imago/CommonLens
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Künftig sind 30 Prozent der Aufsichtsräte deutscher Konzerne zwangsweise weiblich. Ein Kulturwandel? Beim Vorreiter Norwegen sind die Erfahrungen ernüchternd.

Wien. Wer ist nun die wahre Heulsuse? Manuela Schwesig, die deutsche Frauenministerin? Oder Volker Kauder selbst, ihr politischer Intimfeind, der sich als Fraktionsvorsitzender der Union über die Weinerlichkeit seiner Kabinettskollegin beklagte? Die politischen Wogen in Deutschland gingen in dieser Woche hoch, aber das Gesetz ging dennoch durch: Ab 2016 müssen 108 börsenotierte Unternehmen eine feste Quote von 30 Prozent Frauen in ihren Aufsichtsräten erfüllen. Heute sind es bei den DAX-Konzernen nur 21 Prozent. Dem Heulen der Politiker folgt das Zähneknirschen der Firmenlenker. Zu wenige qualifizierte Frauen, staatliche Bevormundung, ordnungspolitischer Sündenfall – so lauten ihre Klagen. Welche konkreten Folgen hat das Gesetz aber wirklich?

Zunächst: Die großen Konzerne werden die Vorgabe erfüllen. Finden sich nämlich nicht genügend Frauen, müssen Sessel leer bleiben. Das genügt als Sanktion, weil jede Vakanz die Machtbalance mit den Betriebsräten gefährdet. Manche Konzerne, wie der Medizinkonzern Fresenius, haben noch keine einzige Frau im Board. Schwer tun sich generell technisch orientierte Branchen. So sind bei den deutschen Autobauern nur 16 Prozent der ganzen Belegschaft weiblich.

3500 mittlere Unternehmen verordnen sich bis 2017 ihre eigene Quote (auch für das Management) und müssen dann über die Fortschritte berichten. Eine solche Flexi-Quote forcierte die Union lang für die großen Konzerne. Gebracht hat die Freiwilligkeit nichts, weshalb das Prinzip der starren Vorgabe in den Koalitionsvertrag kam. Neuland betreten die Deutschen nicht: Italien hat schon eine ähnliche Regelung. Spanien geht in die gleiche Richtung, wenn auch vorerst sanktionslos. Am weitesten preschen die Niederlande und Belgien vor: Hier gilt der Zwang auch für die Vorstandsetage, in Belgien sogar unter Androhung von Sanktionen.

Keine Revolution von oben

All diese Gesetze sind aber zu jung, um die Folgen bewerten zu können. Anders in Norwegen: Dort ist eine Quote von 40 Prozent Frauen in Aufsichtsräten bei allen Firmen, die an der Börse in Oslo gelistet sind, schon seit sechs Jahren in Kraft. Zeit genug, um eine erste Bilanz zu ziehen – was vier Ökonominnen in einer Studie für das Bonner Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit im Sommer versucht haben.

Mit freiem Auge lässt sich erkennen: Die norwegische Wirtschaft hat unter der Knute der Quote nicht massiv gelitten. Wie sich die Qualität der Kontrolleure geändert hat, lässt sich nur schwer bewerten. Formal sind die vielen neuen weiblichen Aufsichtsräte sogar besser qualifiziert als die wenigen alten. Allerdings sind sie auch auffallend jünger als ihre männlichen Kollegen, was auf geringere Erfahrung hindeutet. In die Irre führt der Verdacht, dass nun einige wenige hoch qualifizierte Frauen Posten kumulieren. Es gibt sie zwar, die „goldenen Röcke“ – aber „goldene Hosen“ gibt es noch mehr: Zwei von zehn weiblichen Aufsichtsräten sitzen in mehr als einem Board, aufseiten der Männer sind es vier von zehn. Gravierender ist ein anderer Befund: Viele kleinere Firmen sind der Quote entflohen, indem sie die Börse verlassen haben. Wie viele, ist unter Forschern umstritten. Die Firmen nennen aus Imagegründen meist andere Motive für ihren Wechsel von der AG zur GmbH. Etwa ein Fünftel wird es aber gewesen sein. Sie müssen nun auch weit weniger streng berichten, sind also weniger transparent – was volkswirtschaftlich als nicht wünschenswert gilt.

Norwegens Frauenquote war freilich kein Selbstzweck. Sie sollte die Seilschaften der Altmännerklubs kappen, gläserne Decken durchbrechen. Eine Revolution von oben: Frauen im Board sollten Frauen in die Vorstände wählen, diese wiederum Geschlechtsgenossinnen zu besseren Karrieren verhelfen. Dieser Wunsch hat sich in sechs Jahren nicht erfüllt. Nicht einmal im Topmanagement sind Frauen auf dem Vormarsch. Besonders bitter: Die skandinavischen Nachbarländer machten hier ohne Zwang mehr Fortschritte. Auch die Einkommenslücken zwischen gut qualifizierten Männern und Frauen schließen sich in Norwegen nicht. An den Universitäten starten nicht mehr Studentinnen mit Betriebswirtschaftslehre. Einzig ihre Erwartungen haben sich geändert: Die jungen Frauen rechnen nun mit steileren Karrieren und besserer Bezahlung. Zumindest als Prinzip Hoffnung ist also der Kulturwandel, von dem jetzt auch die Deutschen schwärmen, auf einem guten Weg.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2014)

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