Digitale Wirtschaft: Berlin mahnt EU zu Datenschutz

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Vier deutsche Minister fordern von der EU-Kommission entschiedenes Vorgehen gegen Google und ein generelles Umdenken bei der Übermittlung von Daten in die USA.

Brüssel. Viele an die Europäische Kommission adressierte Briefe werden sofort nach ihrer Ankunft im Berlaymont-Gebäude in der sogenannten Rundablage deponiert – sie landen im Papierkorb. Jenem Schreiben, das vor wenigen Tagen aus Berlin nach Brüssel geschickt wurde, dürfte dieses Schicksal nicht blühen. Es trägt nämlich die Unterschriften von vier deutschen Ministern: Sigmar Gabriel (Wirtschaft), Heiko Maas (Justiz), Thomas de Maizière (Inneres) und Alexander Dobrindt (Verkehr und Infrastruktur). Empfänger des Schreibens sind vier EU-Kommissare (Andrus Ansip, Günther Oettinger, Margrethe Vestager und Věra Jourová), deren Aufgabe die Gestaltung der digitalen Agenda der EU ist und denen die Absender „die aus unserer Sicht maßgeblichen Punkte für einen digitalen Ordnungsrahmen darlegen“ wollen.

Auf elf Seiten erläutern die Verfasser ihren Kollegen in Brüssel, wie das größte und gewichtigste Mitglied der EU die Gefechtslage bezüglich der Neuordnung der digitalen Gesetzgebung beurteilt. Und der Inhalt des Briefs lässt nur den Schluss zu, dass Berlin an der juristischen „Westfront“ – also in den Beziehungen zu den USA – den größten Handlungsbedarf sieht. Die Stichwörter dazu lauten Google, Datenschutz und NSA-Spionageskandal.

Die US-Suchmaschine ist das einzige Unternehmen, das in dem Brief namentlich erwähnt wird. Das Ministerquartett begrüßt ausdrücklich, dass die Brüsseler Behörde das seit 2010 laufende Wettbewerbsverfahren gegen Google fortsetzen will – es geht darin um die Frage, inwiefern der Konzern bei der Bearbeitung von Suchanfragen seine Marktposition missbraucht und die Angebote der Konkurrenz nicht ausreichend gewürdigt hat. Darüber hinaus will Berlin die Marktmacht von Google und Co. einschränken – als Denkanstöße erwähnt werden die Verpflichtung zur unentgeltlichen Wiedergabe von Konkurrenzangeboten, deutliche Kennzeichnung von eigenen Diensten und schärfere Fusionskontrollen. Dem Ruf des Europaparlaments, das sich als Ultima Ratio die Aufspaltung des US-Konzerns vorstellen kann, wollten sich die vier Minister aber nicht anschließen.

Punkto Datenschutz wünscht sich Deutschland einheitliche Regeln – über eine Reform der EU-Datenschutzverordnung, die noch aus dem Jahr 1995 stammt, wird derzeit verhandelt. Dagegen wehren sich jene Länder wie Irland und Großbritannien, die vergleichsweise laxe Vorschriften haben und nicht zuletzt deswegen vielen US-Konzernen als europäischer Standort dienen. Eine Conditio sine qua non ist für die vier Minister die explizite Zustimmung der User zur Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten – „etwa über einen Button“. Berlin erwartet, dass die neue Datenschutzverordnung im Lauf des kommenden Jahres fixiert wird.

„Verbessern und neu verhandeln“

Der Brief macht allerdings auch das Ausmaß des Schadens deutlich, der durch die Affäre rund um das Sammeln von Daten durch den US-Geheimdienst NSA verursacht wurde. Als Konsequenz des Skandals will Berlin nämlich das „Safe Harbor“-Abkommen ändern, das US-Firmen ermöglicht, europäische Daten in den USA zu verarbeiten. „Angesichts der jüngst offenbarten Massenüberwachung muss der „Safe Harbor“-Mechanismus [...] verbessert und zügig neu verhandelt werden“, schreiben die Minister. Soll heißen: Die Praxis eines blauäugigen Transfers von EU-Daten ins Ausland soll unterbunden werden.

Der Brief aus Berlin dürfte aber nicht nur in der Google-Zentrale im kalifornischen Mountain View, sondern auch in einigen EU-Hauptstädten auf Missfallen stoßen. Die vier Minister wünschen sich nämlich, dass ein „maßgeblicher Schwerpunkt“ des vor einer Woche präsentierten, 315 Mrd. Euro schweren Investitionsprogramms der EU auf den Ausbau der digitalen Infrastruktur gelegt wird. Schuldengeplagte EU-Mitglieder wie Italien würden mit dem Geld am liebsten ihre Konjunktur ankurbeln. Die Mittelzuteilung werde ausschließlich nach objektiven Kriterien und nicht nach der Lautstärke der Zurufe aus diversen EU-Hauptstädten erfolgen, hieß es gestern in Kommissionskreisen. „Und es hat schon viele Wünsche gegeben.“

BRIEF AN DIE EU

Weitere Infos:www.diepresse.comDie Minister Sigmar Gabriel (Wirtschaft), Heiko Maas (Justiz), Thomas de Maizière (Inneres) und Alexander Dobrindt (Verkehr) fordern von der EU-Kommission ein entschiedenes Vorgehen gegen Google, strengere Regeln, um Marktmissbrauch durch große (US-)Internetkonzerne zu verhindern, sowie die Reform des EU-Datenschutzes.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2014)

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