Geldspritzen: "Das Undenkbare ist zur Routine geworden"

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Die Märkte reagieren heute nur noch auf die Aktivitäten der Zentralbanken, an deren Nadel sie wie Drogensüchtige hängen.

Wien/Frankfurt/New York. Wird sie es wagen oder nicht? Und falls ja, wann genau? Und in welchem Umfang? Die Rede ist von der Europäischen Zentralbank. Von ihr erhoffen sich die „Märkte“ die nächste Geldspritze, den nächsten Fix, um ihre Sucht nach Liquidität zu befriedigen. Wie besessen blicken Analysten, Banken und Medien auf Mario Draghi, beurteilen jedes Wort, jede Geste. Hat er sich gerade an die Schläfe gefasst? Was könnte das für die Zinsen bedeuten?

Dass die „Märkte“ hier unter Anführungszeichen stehen, hat seinen Grund. Denn im Zeitalter der gelddruckenden Notenbanken noch von echten Märkten zu schreiben wäre eigentlich verfehlt. Nichts geht heute noch ohne die Notenbanken, die von einer passiven Rolle als zentraler Zinsplanungsbehörde in eine sehr, sehr aktive gewechselt sind. Die Zentralbanken sind heute der Markt. Oder, wie es der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock (Portfolio: fünf Billionen Dollar) in einer aktuellen Analyse ausdrückt: „Investoren sind heutzutage darauf konditioniert, auf die Geldpolitik zu warten, die Marktbewegungen zu diktieren.“

Wie die Grafik zeigt, haben sich die großen Zentalbanken seit der Krise dabei abgewechselt, ihre Geldschleusen immer weiter und weiter zu öffnen – und gemeinsam tausende Milliarden in die „Märkte“ geschüttet – die es mit einem märchenhaften Höchststand nach dem anderen gedankt haben. Aber es gibt Nuancen in der Methode.

Widerstand aus Deutschland

Die Bank of Japan beispielsweise hat seit der Amtsübernahme von Premier Shinzo Abe jede Vorsicht – und auch ihre angebliche Unabhängigkeit – vergessen und fährt im Verhältnis zur Größe der von ihr betreuten Volkswirtschaft ein brutales Gelddruckprogramm („Abenomics“), das die „Märkte“ im Alleingang mit Liquidität versorgt. Aber auch die Europäische Zentralbank spielt eine Sonderrolle.

Nicht nur ist sie die einzige Notenbank, die sich bemüßigt fühlt, ab und zu auch wieder Liquidität aus dem Markt zu ziehen. Sie ist die einzige wichtige Zentralbank, die sich bisher weigert, in großem Stil Staatsanleihen zu kaufen, also Staatsfinanzierung durch die Notenpresse zu betreiben.


Das hat seinen Grund: Die EZB ist nicht nur für eines, sondern für alle Euroländer zuständig. Würde sie beispielsweise spanische oder italienische Staatsanleihen kaufen, die dortigen Politiker hätten weniger Druck, dringend notwendige Reformen durchzuführen. Und die solventen Länder von Deutschland bis Österreich müssten das Risiko tragen – und im Notfall zahlen. Deswegen wehrt sich die auf eine solide Geldpolitik eingeschworene Bundesbank so vehement gegen eine europäische Variante von Quantitative Easing, dem US-Gelddruckprogramm. Die Oesterreichische Nationalbank orientiert sich unter der Führung des ehemaligen SPÖ-Abgeordneten Ewald Nowotny aber eher an den Südländern und will Anleihenkäufe durch die EZB nicht verhindern.

Greenspan ist heute skeptisch

Dabei wird langsam klar, dass die Gelddruckerei keineswegs so gut funktioniert wie erhofft. Von robustem Wachstum sind wir weit entfernt. Der ehemalige Chef der US-Notenbank Fed, Alan Greenspan, der erste Star unter den Notenbankern, hat festgestellt, dass auch die US-Geldpolitik lediglich die Preise an den Börsen treibt. Die Stimulierung der Nachfrage durch frisches Geld „hat nicht funktioniert“, so Greenspan: „Die Nachfrage ist tot.“

Und selbst die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, die „Zentralbank der Zentralbanken“, warnte zuletzt: „Das extrem abnormale ist inzwischen zur Normalität geworden. Es ist ziemlich beunruhigend, wenn das Undenkbare zur Routine wird“, schreibt BIS-Ökonom Claudio Borio.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2014)

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