Ifo-Chef: Pension soll von Kinderzahl abhängen

Prof Dr Hans Werner Sinn Praesident des ifo Instituts fuer Wirtschaftsforschung in der ZDF Talksho
Prof Dr Hans Werner Sinn Praesident des ifo Instituts fuer Wirtschaftsforschung in der ZDF Talksho(c) imago/Müller-Stauffenberg
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Wirtschaftsforscher Hans-Werner Sinn warnt vor den Folgen der demografischen Veränderung und sorgt mit einem unkonventionellen Vorschlag für Diskussionen: Die Höhe der Pension soll von der Anzahl der Kinder abhängen.

München. Früher einmal musste man als alter Mensch von seinen Kindern leben. Nur der Nachwuchs stellte sicher, dass man als nicht mehr arbeitsfähiger Greis versorgt war. Dann kam die Rentenversicherung – und damit begannen nach Ansicht von Hans-Werner Sinn, angesehenem Chef des deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (Ifo), die wahren Probleme: Erstens konnten sich die Menschen nämlich auf eine staatliche Versicherung verlassen, und zweitens gab es damit keine Notwendigkeit mehr, Kinder zu bekommen. Und daher hat Sinn einen ungewöhnlichen Vorschlag, der in Deutschland derzeit für Diskussionen sorgt: Pensionsansprüche sollen von der Anzahl der Kinder abhängen.

Die Rentenversicherung, die 1889 vom damaligen Reichskanzler Otto von Bismarck eingeführt worden war, sei „hauptsächlich Ursache dafür, dass die Deutschen bei der Zahl der Neugeborenen pro Tausend den letzten Platz der OECD-Statistik einnehmen“, kritisiert Sinn in einem Interview mit der deutschen Wirtschaftstageszeitung „Handelsblatt“ (Freitagsausgabe). „Seit Generationen haben Deutsche seit 1889 die Erfahrung gemacht, dass man auch ohne eigene Kinder im Alter zurechtkommt. Die Rentenversicherung hat den Menschen die Verantwortung für ihr Einkommen im Alter genommen und damit die Kinderlosigkeit der Deutschen maßgeblich mitverursacht.“

Das Problem des Kindermangels werde besonders dramatisch, wenn von 2025 bis 2035 die Babyboomer-Generation in Pension gehe. Zum einen werde es dann unter Berücksichtigung der Zuwanderung 7,5Millionen mehr Pensionisten und 8,5 Millionen Erwerbstätige weniger geben. „Die Ruheständler wollen dann ihre Renten von Kindern kassieren, die sie nicht haben.“

Kein fixes Pensionsantrittsalter

Sinn fordert in der Zeitung mit markigen Worten eine deutsche Rentenreform: „Heerscharen von Rentnern lassen sich, finanziert vom deutschen Umlagesystem, von Luxuslinern durch die Weltmeere schaukeln. Nur Kinder hat das System nicht hervorgebracht.“

Sein Lösungsansatz: Deutschland benötige „von der Kinderzahl abhängige Rentenansprüche“. Wie er sich das im Detail vorstellt, erläuterte der Wirtschaftsforscher im „Handelsblatt“-Interview nicht. Er meinte aber an anderer Stelle, dass sich der Staat grundsätzlich „stärker an den Kosten der Kindererziehung“ beteiligen und „die Kinder auch steuerlich mehr berücksichtigen“ müsse.

Ein weiterer Ansatz bei einer Pensionsreform müsse die Abschaffung der festen Altersgrenze für die Beendigung des Arbeitslebens sein, nach dem Vorbild der USA. „Der Beschäftigte sollte einen Rechtsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu gleichen Bedingungen haben. Wer diese Option wählt, erhält seine Rente später, aber dann versicherungsmathematisch aufgestockt.“

Dass die deutsche Bundesregierung gerade das Gegenteil macht, nämlich das Pensionsalter auf 63 Jahre zu senken, hält Hans-Werner Sinn für „das falsche Signal“. Vielmehr benötige man eine längere, nicht eine kürzere Lebensarbeitszeit. Er sei sicher, dass die jetzt durchgeführte Reform „in wenigen Jahren wieder rückgängig gemacht werden muss“. (ag./red.)

AUF EINEN BLICK

Die Überalterung der Gesellschaft wird für die Pensionssysteme weltweit zu einem Problem. Hans-Werner Sinn, Chef des Münchner Ifo-Instituts, schlägt daher vor, die Rentenansprüche von der Anzahl der Kinder abhängig zu machen. Zudem sollten Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber haben, ihr Beschäftigungsverhältnis über das gesetzliche Pensionsantrittsalter hinaus fortzusetzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2014)

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