Steuer: Erben zittern vor den roten Roben

(c) BilderBox
  • Drucken

Am Mittwoch dürfte das deutsche Verfassungsgericht die Ausnahmen für Familienunternehmen für verfassungswidrig erklären. Gibt es eine „gerechte“ Erbschaftssteuer?

Wien. Am Ende könnte Susanne Klatten an der Misere schuld sein. Wenn die reichste Deutsche einmal ihre Anteile am Grafit- und Kohlefaserkonzern SGL Carbon vererbt, müssen ihre Kinder nach heutiger Rechtslage keine Erbschaftssteuer zahlen. Das fanden einige Verfassungsrichter schon in der Verhandlung für ungerecht: „Sie fördern damit schlicht und einfach Großkapital“, warfen sie dem Regierungsvertreter vor. Weshalb nun alle davon ausgehen, dass Karlsruhe am Mittwoch Ausnahmen fürs Betriebsvermögen kippt. Was wiederum tausende deutsche Familienunternehmer kurz vor dem ersehnten Weihnachtsfrieden in Existenzängste stürzt.

Im Kern geht es um folgende Frage: Ist es gerecht, wenn ein Erbe von Schmuck, Geld oder ein paar Aktien Steuer zahlen muss, die Erben von großen Firmenanteilen oder ganzen Unternehmen aber nicht? Schon 2008 haben sich die roten Roben über dieses Problem gebeugt und befunden: Die Ausnahme ist gerechtfertigt, wenn sie dem Gemeinwohl dient, sprich: wenn sie Arbeitsplätze sichert.
Denn niemand, auch nicht der Staat, hat etwas davon, wenn die Liquidität einer Firma durch die Steuerlast so leidet, dass sie nicht mehr investieren kann. Oder schlimmer noch: wenn die Familie das Werk ihrer Väter zusperren, zerschlagen oder an anonyme Finanzinvestoren verkaufen muss.

Also bastelte die damalige Große Koalition eine Jobklausel: Wer die Lohnsumme über sieben Jahre nach Antritt des Erbes weitgehend stabil hält, dem bleibt die Steuer erspart. Um die Kleinen zu schonen und die Bürokratie nicht ausarten zu lassen, sind Firmen mit bis zu 20 Mitarbeitern ganz befreit.

Jobklausel ist zu löchrig

Für viele blieb ein Unbehagen: Was, wenn sie innerhalb der sieben Jahre in eine Krise geraten und Personal abbauen müssen? Um die Klausel zu umgehen, verlagerten viele Unternehmen ihr Vermögen in eine Besitzgesellschaft mit weniger als 20 Mitarbeitern. Kreative Steuerberater empfahlen ihren Kunden, auch private Konten und Kunst unter das schützende Firmendach zu bringen. Und wer gar kein Unternehmen zur Hand hatte, gründete einfach eines. Dieses Steuersparmodell der „Cash GmbH“ hat der Gesetzgeber zwar mittlerweile verboten. Aber für jedes geschlossene Schlupfloch öffnet sich ein neues. Was zur Folge hat, dass die Erbschaftssteuer in Deutschland als „Dummensteuer“ gilt: Wer sie zahlt, ist selber schuld. Dazu kommt, dass über 90 Prozent aller Betriebe unter die 20-Mitarbeiter-Ausnahme fallen. So nimmt es nicht wunder, dass die Erbschaftssteuer im Jahr nur fünf Mrd. Euro einbringt – weniger als ein Prozent des Steueraufkommens.

Was vielen Juristen an all dem am wenigsten gefällt: Es sei nicht gerecht, auch jene Unternehmen besserzustellen, die genug Geld hätten, um die Steuer zu zahlen. Wenn man die Beträge stundet und etwa auf zehn Jahre verteilt, wäre auch die Liquidität deutlich entlastet. Für Investitionen würde das Geld freilich auf jeden Fall fehlen.

Weit kühner denkt der linke SPD-Flügel. Er will Erben „erlauben“, ihre Steuerschuld mit Anteilen zu begleichen – was einer Verstaatlichung gleichkäme (siehe Glosse rechts). Andere wollen die Steuer radikal vereinfachen: Wenn alle Erben, unabhängig von Verwandtschaftsgrad, Vermögensart und Volumen, einen niedrigen Satz von zwei oder drei Prozent zahlten, wäre sie von fast allen zu schultern. Aber ist das auch gerecht? Gerade hier wäre der Aufschrei am größten – weil es eine gigantische Steuerersparnis für Milliardäre wie die Familie Klatten bedeuten würde.

Schenken statt zahlen

Was lässt sich daraus für die diskutierte Wiedereinführung einer Erbschaftssteuer in Österreich ableiten? In der ökonomischen Theorie gilt sie als fast ideale Steuer, weil sie kaum Leistungsanreize schmälert. In der Praxis aber ist ihr selten Erfolg beschieden: Ökonomisch und sozial gebotene Ausnahmen drücken die Einnahmen und provozieren laufend juristischen Reparaturbedarf. Das treibt die Kosten der Erhebung. Weshalb viele europäische Staaten darauf verzichten: In der EU machen Erbschafts- und Schenkungssteuern nur 0,39 Prozent des Aufkommens aus.

Wo es sie gibt, werden sie vermieden. Wie auch nun wieder in Deutschland: Vor der möglichen Verschärfung haben viele vorgesorgt – indem sie ihr Firmenvermögen nach aktuellem Recht an Kinder und Enkel verschenkt haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

International

Erbschaftssteuer: Deutschland kippt Privilegien für Unternehmer

Die Begünstigung für Unternehmen müsse an strengere Bedingungen geknüpft werden, urteilt der Bundesverfassungsgerichtshof in Karlsruhe.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.