Freihandel: Höhere Einkommen dank Magna

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Das Münchener Ifo-Institut hat ermittelt, dass Österreich vom Handelspakt EU/Kanada besonders stark profitieren würde. Verantwortlich dafür ist Frank Stronach.

Brüssel/München. Über das mehr oder weniger segensreiche Wirken von Frank Stronach in der österreichischen Innenpolitik lässt sich trefflich streiten. Als weitgehend unbestritten hingegen gilt, dass die Entscheidung des austrokanadischen Milliardärs, die Europa-Dependance seines Automobilzulieferers Magna in Österreich anzusiedeln und die Tochtergesellschaft Magna Steyr als internationale Fixgröße bei der Fertigung von Geländewagen zu etablieren, der heimischen Wirtschaft einen wichtigen Impuls verpasst hat. Zwar liegt die Übernahme von Steyr schon 16 Jahre zurück, doch wie das Münchener Ifo-Institut ermittelt hat, wirkt dieser Impuls weiter nach – und zwar auf europapolitischer Ebene. Denn dank der starken Präsenz von Magna zählt Österreich zu den größten Nutznießern des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Kanada (CETA).

Nach Berechnungen des Studienautors Gabriel Felbermayr wird CETA das reale Pro-Kopf-Einkommen in der EU längerfristig (also nach einer zehnjährigen Anlaufzeit) um durchschnittlich 0,22 Prozent heben – das entspricht in etwa 50 Euro pro Jahr. In Österreich hingegen sollen die Durchschnittseinkommen um 0,3 Prozent steigen. Zum Vergleich: Für das kulturell und sprachlich Kanada näher stehende Großbritannien ermittelte der Ifo-Experte ein Plus von 0,34 Prozent. In Deutschland wären es demnach 0,19, in Tschechien 0,18 Prozent.

Magna-Bonus von 0,1 Prozent

Im Gespräch mit der „Presse“ führt Felbermayr das überdurchschnittliche österreichische Plus auf die starke Präsenz von Magna in Österreich zurück. Denn obwohl die EU-Einfuhren nach Kanada mit einem Zollsatz von durchschnittlich 2,56 Prozent belegt werden, sind die kanadischen Zölle im Kfz-Bereich deutlich höher. Von einer Abschaffung aller Zölle, die eines der drei Kernelemente von CETA ist, würde die heimische Autobranche demnach sehr profitieren. „Ohne den Faktor Magna würden sich die Zuwächse beim Realeinkommen in Österreich vermutlich auf dem Niveau der Nachbarländer bewegen“, sagt Felbermayr – das Plus würde also um einen Zehntelprozentpunkt niedriger ausfallen.

Dabei ist die Demontage der Zollschranken nur ein Nebenschauplatz, denn im Zentrum von CETA steht die sogenannte regulatorische Kooperation – vereinfacht ausgedrückt geht es darum, möglichst viele bürokratisch-technische Doppelgleisigkeiten (etwa bei der gegenseitigen Anerkennung von Produktstandards oder der Zulassung von Medikamenten) zu beseitigen, die de facto die größte Hürde im transatlantischen Handel darstellen. Gerade in diesem Bereich ist CETA laut Felbermayr eine Blaupause für das weit größere – und umstrittenere – Handelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP), über das seit über einem Jahr in Brüssel und Washington verhandelt wird. Schätzungen der EU-Kommission zufolge soll TTIP die Wirtschaftsleistung der Union um einen halben Prozentpunkt bzw. rund 120 Mrd. Euro steigern und für 400.000 zusätzliche Arbeitsplätze sorgen.

Verbraucher- und Investorenschutz

Nicht zuletzt aufgrund dieser inhaltlichen Verknüpfung ist auch um CETA, das eigentlich ausverhandelt ist und auf die Ratifizierung wartet, ein Streit entbrannt. Neben der Sorgen um den hohen europäischen Verbraucherschutz steht der Investorenschutz im Mittelpunkt der Kritik – es geht um Bestimmungen, die es einem Unternehmen ermöglichen, die Regierung eines Landes vor einem internationalen Schiedsgericht zu klagen, wenn es seine Investitionen durch eine nationale Bestimmung bedroht sieht. Derartige Klauseln wurden ursprünglich konzipiert, um Investoren in Entwicklungsländern vor dem willkürlichen Zugriff der Staatsgewalt zu schützen – und sie haben nach Ansicht der Kritiker in einem Abkommen zwischen Rechtsstaaten nichts zu suchen. Einige europäische Regierungen lehnen den Investorenschutz ab und wünschen eine entsprechende Modifizierung auch bei CETA. Die für Handelsfragen zuständige EU-Kommissarin Cecilia Malmström hält kleinere Änderungen des Freihandelsabkommens für möglich – sofern Kanada zustimmt.

Bei dem Freihandelsabkommen mit den USA deuten die Zeichen hingegen auf Sturm: Aktivisten der Initiative Stop TTIP haben europaweit eine Million Unterschriften gegen das Abkommen gesammelt – in Österreich haben 45.000 Menschen die Petition unterzeichnet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2014)

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