Erbschaftssteuer: Deutschland kippt Privilegien für Unternehmer

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Die Begünstigung für Unternehmen müsse an strengere Bedingungen geknüpft werden, urteilt der Bundesverfassungsgerichtshof in Karlsruhe.

Die massiven Steuerprivilegien für Firmenerben verstoßen in ihrer derzeitigen Ausgestaltung gegen das deutsche Grundgesetz. Das deutsche Bundesverfassungsgericht kippte am Mittwoch die seit 2009 geltende Regelungen zur großzügigen Verschonung von vererbtem Betriebsvermögen. Sie sind mit dem Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes unvereinbar.

Grundsätzlich sei es aber legitim, gerade Familienunternehmen teilweise oder sogar vollständig von der Erbschaftsteuer zu befreien, betonten die Karlsruher Richter. Dem Gesetzgeber setzten sie eine Frist bis zum 30. Juni 2016 für eine Neuregelung. Bis dahin seien die bisherigen Vorschriften weiter anwendbar.

Angesichts des deutschen Urteils fordert die Wirtschaftskammer neuerlich den Verzicht auf die Erbschaftssteuer in Österreich. "Erbschaftsteuern und Übergabe von Familienbetrieben vertragen sich wie Katz und Maus", sagte Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl (ÖVP) am Mittwoch. Die SPÖ fordert bei der Steuerreform die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer, die ÖVP lehnt dies ab.

Gericht erwartet strengere Maßstäbe

In Deutschland werden nach der Verschonungsregel Erbschaften und Schenkungen dann entlastet, wenn im Zuge des Betriebsübergangs die Arbeitsplätze weitgehend gesichert werden: Wer den Betrieb fünf Jahre lang fortführt und die Lohnsumme in dem Zeitraum weitgehend stabil hält, bekommt schrittweise 85 Prozent der Steuerschuld erlassen. Wer das sieben Jahre lang schafft, muss am Ende gar keine Steuer bezahlen. Von der Lohnsummenklausel befreit sind Unternehmen mit bis zu 20 Beschäftigten und damit fast 90 Prozent aller Firmen.

Das Urteil wurde vor allem bei den rund drei Millionen Familienunternehmen in Deutschland mit Spannung erwartet, denn es geht um die Übertragung von Milliardenwerten.

Der Erste Senat knüpfte die steuerliche Begünstigung von Firmenerben nun an strengere Maßstäbe. Denn das bisherige Ausmaß und die Ausgestaltung der Steuerbefreiung seien mit dem Grundrecht der steuerlichen Belastungsgleichheit nicht zu vereinbaren, sagte Gerichtsvizepräsident Ferdinand Kirchhof. So seien im Jahr 2012 Befreiungsmöglichkeiten in Höhe von fast 40 Milliarden Euro in Anspruch genommen worden, während der Fiskus nur 4,3 Milliarden Euro Erbschaftsteuer eingenommen habe.

Verstoß gegen Gleichbehandlung

Das Verfassungsgericht hält es allerdings "allgemein für gerechtfertigt, dass der Gesetzgeber die persönlich geführten Familienunternehmen im Erbfall steuerlich verschont, um ihre Weiterführung nicht fiskalisch zu gefährden". Der Schutz von Familienunternehmen und Arbeitsplätzen sei "grundsätzlich ein legitimer Grund, Betriebe teilweise oder vollständig von der Steuer zu befreien". Der Gesetzgeber habe hier einen weiten Gestaltungsspielraum. Es sei aber verfassungswidrig, "eine umfassende Verschonung ohne jegliche Bedingungen zu gewähren."

So verletze es das Gleichbehandlungsgebot, auch Großunternehmen von der Steuer zu befreien, ohne dass konkret geprüft werde, ob sie überhaupt einer steuerlichen Entlastung bedürfen. Der Gesetzgeber müsse nun präzise und handhabbare Kriterien zur Bestimmung der Unternehmen festlegen, für die eine Verschonung ohne "Bedürfnisprüfung" nicht mehr infrage komme.

(APA/dpa)

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