Börsenvorstand: „Der ATX ist unterbewertet“

Michael Buhl
Michael Buhl(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Michael Buhl, Vorstand der Wiener Börse AG, ist davon überzeugt, dass der Wiener Markt 2015 besser als heuer performen wird.

Die Presse: Wie geht es der Wiener Börse? Der Leitindex ATX liegt derzeit ja um 18,4 Prozent unter dem Jahresbeginn.

Michael Buhl: Wir haben an die vier Milliarden Euro frisches Kapital für Unternehmen eingesammelt, das ist mehr als in den vier vorangegangenen Jahren zusammengenommen. Und wir haben mit 7,2 Milliarden Euro ein Rekordvolumen bei Unternehmensanleihen verzeichnet. Das ist schon beachtlich. Aber die Entwicklung des ATX ist natürlich ein Wermutstropfen. Da haben Osteuropa und die Konjunktur hineingespielt und auch der niedrige Ölpreis. Der ATX ist jetzt aber schon ziemlich unterbewertet.

Da kann es ja nur noch besser werden...

Ja, eigentlich schauen wir mit positivem Blick auf das Jahr 2015. Die meisten Analysten gehen von einem deutlichen Gewinnwachstum der österreichischen Unternehmen aus. Voraussetzung ist natürlich, dass sich die Lage in der Ukraine und Russland wieder beruhigt. Aber auch 2014 ist es in Wien gut gelaufen. Der Handelsumsatz an der Börse ist immerhin um 22 Prozent gestiegen. Man muss auch sehen, dass die durchschnittliche Dividendenrendite im ATX drei Prozent beträgt. Wenn man das in Relation zu den derzeitigen Zinssätzen setzt, ist das schon beeindruckend.

Dürfen wir 2015 auch mit neuen Börsengängen rechnen?

Der letzte, FACC, ist sehr gut gelaufen. Die Pipeline ist da, aber natürlich hängt es jetzt sehr vom Marktumfeld ab, ob wir bald einen neuen IPO (Initial Public Offering, Anm.) sehen werden oder nicht. Was uns besonders freut ist, dass bei der vor Kurzem an die Börse gebrachten Buwog, die in Frankfurt, Warschau und Wien gelistet ist, 90 Prozent des Handels in Wien stattfindet.

Weil österreichische Werte an Auslandsbörsen leicht untergehen?

Absolut. Das Heimmarktprinzip ist ein ganz wichtiger Faktor an der Börse.

Das große Potenzial bei Privatisierungen scheint derzeit eher brachzuliegen, oder?

Beim Privatisierungsthema bin ich wirklich nicht hoffnungsfroh, obwohl es da viel Potenzial gäbe. Fünf Milliarden wäre allein das Volumen, wenn man bei den bereits börsenotierten Staatsbetrieben auf 25 Prozent plus eine Aktie zurückginge. Weitere neun Milliarden macht das Potenzial bei anderen öffentlichen Unternehmen aus. Da käme schon einiges zur Finanzierung der Steuerreform zusammen, wenn man wollte.

Politisch ist das aber kaum durchzusetzen.

Grundsätzlich orte ich beim Finanzminister für solche Anliegen schon ein offenes Ohr, aber eine Koalition ist eben eine komplizierte Konstruktion. Ich habe den Eindruck, dass derzeit alle Parteien nach Möglichkeiten suchen, wie man Unternehmen mehr Eigenkapital zuführen könnte. Da hat sich atmosphärisch doch einiges verbessert.

Man hat den Eindruck, dass die Performance in Wien auch darunter leidet, dass die Politik internationale Anleger vertrieben hat.

Wien steht im Ranking der internationalen Finanzplätze noch gut da, aber wir sind natürlich zurückgefallen. Insgesamt sind die Rahmenbedingungen verbesserungsfähig. Ein Problem ist, dass amerikanische Investoren gezielt aus Europa, aus Osteuropa und aus Banken hinausgehen. Das trifft uns natürlich. In Amerika wird jetzt aber gesagt, dass 2015 das Jahr der europäischen Aktie wird.

Wie groß ist denn der Anteil der ausländischen Investoren noch?

Drei Viertel der Handelsumsätze kommen aus dem Ausland. Rund ein Viertel davon aus den USA. Der Anteil der österreichischen Privatanleger an den Umsätzen ist allerdings mit weniger als fünf Prozent nicht hoch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2014)

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