Rubel: Russland-Krise bedroht auch Europa

Ruble Sinks To 80 A Dollar Defying Surprise Russia Rate Increase
Ruble Sinks To 80 A Dollar Defying Surprise Russia Rate Increase(c) Bloomberg (Andrey Rudakov)
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Mit neuen Interventionen wurde der dramatische Rubel-Verfall erst einmal gestoppt. Aber die Sanktionen und ihre Wirkung schlagen jetzt auch negativ auf Deutschland und Österreich durch.

Wien/Moskau. Der Montag war schwarz, der Dienstag noch schwärzer – aber am Mittwoch sind die Grautöne in die Russland-Krise zurückgekehrt. Soll heißen: Die akute Phase scheint überstanden. Soll jedoch nicht heißen, dass irgendetwas gelöst wäre. Die russische Zentralbank hat es am Mittwoch aber zumindest geschafft, den Verfall der Landeswährung Rubel erst einmal zu stoppen. Nachdem die drastische Zinserhöhung von 10,5 auf 17 Prozent nicht den gewünschten Effekt hatte – kaufte die Zentralbank am Mittwoch Rubel im Wert von umgerechnet sieben Mrd. Dollar auf dem Markt, um die Währung zu stützen. Dabei kamen die aus den vergangenen Wochen bereits dezimierten Währungsreserven der Zentralbank zum Einsatz.

„Die Regierung und die Zentralbank haben gemeinsam mit ernsthaften Schritten begonnen, diese Orgie auf dem Devisenmarkt anzuhalten“, sagte der Wirtschaftsberater von Präsident Wladimir Putin, Andrej Beloussow, der Agentur Interfax. Dass es mit dem Rubel weiter bergab gehe, sei aber nicht auszuschließen. Das hänge von den „Preisschwankungen“ beim Erdöl ab. Ministerpräsident Dmitrij Medwedjew erteilte stärkeren Eingriffen auf dem Devisenmarkt und möglichen Kapitalverkehrskontrollen am Mittwoch eine Absage. Man wolle sich auf den Markt verlassen, so Ministerpräsident Medwedew.

Russland hat eine extrem niedrige Staatsschuldenquote von zwölf Prozent und weiterhin relativ hohe Währungsreserven von mehreren hundert Mrd. Dollar (siehe Grafik). Zudem haben sich die Goldreserven der russischen Zentralbank seit 2005 verdreifacht – auf mehr als 1000 Tonnen. Trotzdem wetten einige schon auf einen Staatsbankrott des flächenmäßig größten Landes der Welt. Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, schätzt die Wahrscheinlichkeit für einen solchen Staatsbankrott inzwischen mit 33 Prozent ein. Das signalisieren die Kreditausfallsversicherungen (Credit Default Swaps).

(C) DiePresse

Kein Staatsbankrott

„Ich halte es für eine realistische Wahrscheinlichkeit, dass wir hier irgendwo bei einem Drittel liegen.“ Von einer Pleite Russlands wären aber auch die Eurozone, Deutschland und viele Schwellenländer betroffen. „Zu glauben, dass Russland isoliert bleiben könnte, wird sich wohl als eine Illusion herausstellen.“ Dem widerspricht der Chefökonom der Raiffeisen Bank International Peter Brezinschek, dessen Bank selbst schwer unter der Russland-Krise zu leiden hatte und deren Aktie am Dienstag abverkauft wurde. Einen Staatsbankrott befürchte er nicht, so Brezinschek zum ORF. Es sei aber richtig, dass Russlands Wirtschaft unter dem niedrigen Ölpreis und den Sanktionen leide. Die russische Zentralbank habe selbst erklärt, dass bei einem anhaltend niedrigen Ölpreis von 60 Dollar Russlands Wirtschaft im kommenden Jahr um vier bis fünf Prozent schrumpfen werde.

Schon der aktuelle Verfall der russischen Währung, die heuer über 50 Prozent ihres Werts eingebüßt hat, hinterlässt Spuren auch in Westeuropa. Sollte die Wirtschaft in Russland im kommenden Jahr um fünf Prozent schrumpfen, so könnte das auch das deutsche Wirtschaftswachstum 0,1 bis 0,3 Prozentpunkte kosten, so das DIW. Diese Schätzung kann man auch auf Österreich übertragen, das heuer selbst nur um 0,4 Prozent gewachsen ist. Für die österreichische Maschinen- und Metallwarenindustrie ist Russland der fünftgrößte Exportmarkt.

Kommen die Touristen?

Auch hier spürt der deutsche Nachbar die Russland-Sanktionen und die Krise bereits direkt. Der Traktorhersteller Fendt muss 570 Stellen streichen und der Lastwagenbauer MAN 3500 Beschäftigte in München in Kurzarbeit schicken. In den MAN-Werken Steyr und Salzgitter läuft bereits seit Herbst Kurzarbeit – rund 4000 Mitarbeiter sind betroffen. Und auch wenn heimische Touristiker keine Zahlen zu ausbleibenden russischen Touristen nennen wollen: Die Rubel-Schwäche wird manchen Skiort, wo Kyrillisch zum Stadtbild gehört, hart treffen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2014)

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