Rubel-Krise: Der epische Konflikt um das Währungssystem

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Die Russland-Krise ist ein Symptom des epischen Konflikts um die Zukunft des Währungssystems. In dessen Zentrum steht nicht Moskau – sondern Peking und Washington.

Wien. Vor vier Jahren, am 26. November 2010, war es nicht Russland, sondern die Eurozone, die in den Abgrund starrte. Wladimir Putin sprach damals auf einer Konferenz in Deutschland und sagte Sachen, die so irre klangen, dass kaum jemand sie ernst nahm: „Kann es sein, dass Russland eines Tages in einer Währungsunion mit Europa sein wird? Ja, das ist gut möglich“, so Putin.

„Wir wissen, es gibt Probleme in Portugal, Griechenland und Irland – und der Euro wackelt ein bisschen. Aber insgesamt ist er eine gute, solide Währung, die ihre Rolle als Reservewährung einnehmen wird.“ Und damit wirklich keine Fragen offenbleiben, ergänzte Putin: „Wir sollten uns vom exzessiven Monopol des Dollar als einziger globaler Reservewährung verabschieden.“

Vier Jahre später bekommt Putin, was er wollte – aber in Form von Sanktionen und einem Wirtschaftskrieg mit dem Westen. Kurz gesagt: Amerika wirft Russland aus dem Dollar-System. Dieses wollte Russland zwar ohnehin loswerden. Aber der Rauswurf kommt zu einem Zeitpunkt, an dem Moskau dazu noch gar nicht bereit ist. Am 15. Dezember, am „Schwarzen Montag“ für den Rubel, startete deshalb stark verfrüht ein erster Testlauf des russischen „Nationalen Zahlungssystems“ – das eigentlich erst im Frühjahr 2015 eingeführt werden sollte.

Immer schön langsam

Moskau befürchtet, bald auch aus dem Zahlungssystem Swift (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication) ausgeschlossen zu werden – was Russland vom internationalen Handel isolieren würde. Ähnliche Sanktionen wurden auch gegen den Iran eingesetzt. Moskau ist „not amused“. Andrey Kostin, Chef der zweitgrößten russischen Bank, VTB, sagte zu einem möglichen Ausschluss seines Landes aus dem Swift-System Anfang Dezember dem „Handelsblatt“: „Meiner persönlichen Ansicht nach würde es Krieg bedeuten, würde diese Art von Sanktionen eingeführt werden“.

An dieser Stelle ist tiefes Durchatmen angesagt. Verglichen mit den Spannungen im echten Kalten Krieg sind die heutigen Konflikte gottlob auf Kinderspiel-Niveau. Auch wenn die Europäer, Asiaten und Russen schon oft gesagt haben, dass der Weltwährungsstatus des US-Dollar nicht haltbar sei, so profitieren sie doch davon, überhaupt eine anerkannte globale Weltwährung zu haben. Denn die Alternative zum Ölhandel in Dollar würde Chaos bedeuten – wenn sie nicht graduell eingeführt wird. Bis dahin wird Washington sein „exorbitantes Privileg“ behalten. So hat der französische Finanzminister, Valéry Giscard d'Estaing, in den 1960ern den Umstand beschrieben, dass die USA dank des Reservestatus des Dollar de facto nur grünes Papier im Tausch für echte Güter und Rohstoffe exportieren müssen. Denn alle Staaten brauchen Dollar, um Öl zu kaufen. Und ohne Öl geht nichts. Das ist der Grund, warum die Währungsreserven der meisten Staaten großteils aus Dollar bestehen – die aber nicht einfach gebunkert, sondern in US-Staatsanleihen angelegt werden. Das System ist geradezu genial – aus US-Sicht.

Es ist ein System, das sich in den vergangenen 70 Jahren immer wieder bewiesen hat. Von der Rückholung der französischen Goldreserven in den 1960ern bis zu Saddam Husseins verzweifeltem Plan, Öl gegen Euro zu verkaufen: König Dollar hat sein Territorium immer zu verteidigen gewusst. Auch mit Russland würde man fertigwerden. Aber da ist immer noch China. Weil Peking unheimliche Mengen an US-Staatsanleihen aufgetürmt hat, ist es zwar in einer Position der Stärke. Aber Chinas Wirtschaft ist viel zu abhängig von den US-Konsumenten, als dass Peking dem Dollar von einem Tag auf den anderen das Licht abdrehen könnte. Stattdessen entzieht man dem Dollar-System langsam, aber stetig die Unterstützung. Heißt: Peking kauft keine (oder nur wenige) frische US-Anleihen für Dollar, die als Bezahlung für chinesische Produkte ins Land kommen. Gegen China könnte der Westen freilich auch keine Sanktionen verhängen – wie gegen Russland. Hier enden die Optionen – und das ist für niemanden eine Katastrophe.

Rubel? Njet. Euro? Vielleicht.

Denn langfristig ist die Idee, eine nationale Währung auch als globale Reservewährung zu nutzen, ohnehin eine schlechte. Das ist das Triffin-Dilemma, benannt nach seinem Entdecker, dem Ökonomen Robert Triffin. Irgendwann widersprechen die Bedürfnisse des Globus und die der führenden Nation einander. Die Federal Reserve hat deshalb längst damit aufgehört, ihre Politik auf die „Weltwährung Dollar“ auszurichten und begreift sich heute als amerikanische Notenbank, die sich nur an den amerikanischen Interessen orientiert.

Die tektonischen Währungsplatten bewegen sich nur sehr langsam zu dem Punkt, an dem die Ablösung des US-Dollar als Weltwährung sogar im Interesse Washingtons ist. Wann es so weit sein wird, weiß freilich niemand – aber im „Wall Street Journal“ argumentierten die Ökonomen Lewis E. Lehrman und John D. Mueller erst am 20. November in genau diese Richtung. Was danach kommen könnte, ist völlig offen. Der Yuan ist noch nicht frei handelbar. Der Rubel ist keinesfalls ein Kandidat. Aber zumindest der Euro sieht im Vergleich zu 2010 wieder relativ frisch aus. Er hat auch einen Vorteil: Die EZB dient schon heute nicht nur einem, sondern vielen Ländern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2014)

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