„Putin hat die Waffe Lebensmittel scharf gemacht“

Hermann Schultes
Hermann Schultes(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Viele heimische Bauern werden künftig um Russland einen Bogen machen müssen, sagt Hermann Schultes, Chef der Landwirtschaftskammer. Billig würden Österreichs Bauern nie sein, eine Steuererhöhung könnten sie sich nicht leisten.

Die Presse: Alle Welt blickt nach Russland. Was bedeuten die Sanktionen und die Krise in Russland für Österreichs Bauern?

Hermann Schultes: Putin ist dabei, die Landkarte neu zu schreiben. Und er ist bereit, sie mit Blut zu schreiben. Europa baut auf Regeln auf, an die er sich nicht hält, und musste daher reagieren. Putin hat seine Sanktionen gegen Europas Landwirtschaft seit zwei Jahren vorbereitet. Die Umstellung auf neue Importeure aus Südamerika und Asien, die schikanösen Kontrollen und Importverbote bei europäischen Fleischlieferanten zählen dazu. Damit hat Putin die Waffe Lebensmittel scharf gemacht.

Wo trifft er Österreich und Europa wirklich?

Bei den Schweinen treffen die Russland-Sanktionen Europa sehr. 30 bis 40 Millionen Russen sind mit europäischen Schweinen versorgt worden. Österreichs Exporteure haben das Fleisch für den russischen Markt speziell mit mehr Fett zugeschnitten. Jetzt sind die Lager voll damit und keine Kunden dafür da. Aber wir stellen die Weichen neu.

Weg von Russland?

In vielen Bereichen wird uns Russland als Markt verloren gehen. Das Fleisch, das für Putin produziert wurde, muss in neue Märkte.

Wer isst Putins Fleisch heute?

Wir alle. Bei Aktionen in den Supermärkten weltweit sehen Sie, dass das Bauchfleisch dort ein bissl fetter ist. Das Problem ist: Die Russen wollen das so haben und bezahlen viel mehr als etwa Österreicher.

Die Bauerneinkommen sind heuer ohnedies gesunken.

Dramatisch ist, dass das schon das dritte Mal hintereinander passiert.

Bauernbund-Chef Jakob Auer hat gesagt, das sei Landwirten nicht erklärbar, da bei allen Lohnrunden die Einkommen anderer Berufsgruppen steigen. Wollen Bauern nun Unternehmer sein oder Angestellte mit Lohnrunden?

Der Unterschied ist: Sie wollen jeden Tag essen und trinken aber nicht jeden Tag ein Handy kaufen. Wir müssen auch dann lieferfähig bleiben, wenn die Zeiten schlechter sind. Politik und Natur schränken unsere Möglichkeiten ein. Seien Sie einmal Unternehmer und lassen Sie es regnen. Wie geht das?

Man könnte sich zumindest gegen Ernteausfälle versichern.

Als einzelner Landwirt kann ich mich vielleicht versichern, aber niemand übernimmt das Risiko des Weinviertels für ein Dürrejahr. Dafür ist eine staatliche Rückversicherung notwendig wie in den USA. Die haben das System vor Jahren von direkten Subventionen auf staatliche Haftungen umgestellt.

Pro Jahr werden 2,1 Mrd. Euro Förderung an Österreichs Bauern verteilt. Das sichert Bauern die Hälfte ihres Einkommens, schadet aber ihrem Image. Zu Unrecht?

Das System der Subventionen ist ja nicht dazu da, dass wir uns eine Armee von Bauern halten, sondern dazu, dass wir Leistungen erbringen, die anders nicht zu erbringen sind. Bei uns lebt der Tourismus vielerorts davon, dass wir uns diese Art Landwirtschaft leisten. Die Ausgleichszahlungen bekommen wir, damit wir die besten Produkte zu billigsten Preisen anbieten können. Wer hat da ein Imageproblem? Doch eher der Österreicher, der nicht bereit ist, den ehrlichen Preis zu bezahlen und sich von der Politik unterstützen lässt, landwirtschaftliche Produkte billigst zu bekommen.

Wie hoch wäre der ehrliche Preis Ihrer Meinung nach?

Rechnen Sie Ausgleichszahlungen zu den Preisen, dann wissen Sie es. Aber wir leben in einer Welt mit offenen Grenzen. Es gibt keine Chance, dass wir die Preise, die wir wollen, auf dem Markt bekommen.

Der EU-Rechnungshof hat Österreich gemahnt, es gehe mit agrarischen Fördermitteln zu sorglos um. Oft sei nicht ersichtlich, warum EU-Mitteln geflossen sind.

Im Bericht wurden nur spezielle Programme geprüft. Im Schnitt ist Österreich das Land, das am wenigsten an die EU zurückzahlen muss. Von 1000 Euro nur 65 Cent.

Etwas teurer war das „Almchaos“. Die falsche Berechnung der Almfutterflächen hat Bauern Millionen an Rückzahlungen beschert.

Wenn einmal Kontrollor, einmal Vermesser und einmal Behörde auf derselben Alm jedesmal zu einem anderen Ergebnis kommen, stimmt das System nicht. Die Bauern können nichts dafür, dass das System nicht in Ordnung ist.

Österreich steckt mitten in einer Steuerdebatte. Die Erhöhung der Grundsteuer zeichnet sich ab. Das träfe vor allem die Bauern.

Die Grundsteuern der Landwirtschaft werden auf Basis der Einheitswerte eingehoben, die gerade neu berechnet werden. Die Grundsteuer in der Landwirtschaft wird sicher erhöht. Wir haben also schon bezahlt. Unabhängig von der Steuerreform.

Von einer Erhöhung des Steuersatzes sollten die Bauern daher ausgenommen werden?

Wir haben dreimal Einkommensverluste hingenommen. Ich glaube nicht, dass irgendwer eine zweite Erhöhung auf die Erhöhung verlangen wird. So viel Grausamkeit will ich niemandem unterstellen.

2015 gibt es keine Milchquoten in Europa mehr. Sind die Bauern für diese Liberalisierung gerüstet?

Die Milchquote hat schon lang nichts mit dem österreichischen Markt zu tun. 48 Prozent unserer Milch ist schon heute im Export.

Eine Studie des Landwirtschaftsministeriums zeigt aber, dass die Arbeitsproduktivität bei heimischen Milchbauern dreimal so schwach ist wie in Deutschland.

Wir können den Milchpreis mit all unseren Strukturproblemen nur erreichen, weil die Molkereien sehr gute Produkte bei den besten Kunden verkaufen. Die Frage ist nicht, ob es Quoten gibt, sondern ob wir in der Lage sind, nicht notwendige Kosten aus dem System zu nehmen und qualitativ vorn zu bleiben.

Ein Kostentreiber sind die vielen kleinen Betriebe in Österreich. Wären größere Einheiten nicht auch hierzulande effektiver?

Wir werden nie die Billigsten sein, weil Sie von uns neben der Milch auch etwas anderes wollen. Puszta-Landwirtschaft mit riesigen Flächen ist billiger. Aber wenn Sie eine Skipiste, Lawinenschutz, Heumilch, und die Biokuh wollen, dann kostet das eben.

ZUR PERSON

Hermann Schultes (61) ist seit März 2014 Präsident der österreichischen Landwirtschaftskammer. Zuvor war der ÖVP-Politiker bereits Präsident der niederösterreichischen Landwirtschaftskammer. Als Bauer arbeitet er in Zwerndorf im Marchfeld. Dort bewirtschaftet Schultes einen Ackerbaubetrieb mit den Schwerpunkten Zuckerrübe, Getreide und Sonnenblumen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2014)

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