"Abenomics": Neues Konjunkturpaket für Japan

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Warengutscheine für Haushalte, Finanzierungshilfen für Unternehmen: Das soll Japans Wirtschaft auf die Sprünge helfen. Was weiterhin fehlt, sind große Strukturreformen.

Tokio. Japans Regierung will die lahmende Wirtschaft mit einem weiteren Konjunkturpaket in Schwung bringen. Geplant sei ein Volumen von 3,5 Billionen Yen (24 Mrd. Euro), teilte sie am Wochenende mit. Haushalte mit geringen Einkommen sollen Benzin- und Warengutscheine erhalten und wirtschaftsschwache Regionen gestützt werden. Kleinen Unternehmen wird Hilfe bei der Finanzierung in Aussicht gestellt. Landstriche, die vom Erdbeben und dem Tsunami 2011 besonders betroffen waren, sollen extra gefördert werden.

Japans Wirtschaft schwächelt schon seit rund zwei Jahrzehnten. Und auch nach zwei Jahren „Abenomics“ – der nach Regierungschef Shinzo Abe benannten, von den internationalen Finanzmärkten anfangs gefeierten Mischung aus einer enormen Geldschwemme, massiven Konjunkturprogrammen und Reformen – ist keine echte Trendwende in Sicht. Im Gegenteil: Die japanische Wirtschaft schrumpft, zuletzt belief sich das BIP-Minus auf annualisierte 1,9 Prozent.

Die aggressive Lockerung der Geldpolitik bewirkte jedoch immerhin steigende Preise, die Deflation scheint so gut wie überwunden. Zudem wertete der Yen infolge der Geldschwemme rasant ab, wodurch die Erlöse der Exportindustrie stiegen. Der niedrige Yen-Außenwert verschafft den exportorientierten japanischen Unternehmen Wettbewerbsvorteile, weil sie ihre Produkte – zum Beispiel in die Eurozone – billiger verkaufen können.

Mehrwertsteuer bremst

Für den Binnenkonsum gab es dagegen einen schweren Dämpfer: Heuer im April wurde die Mehrwertsteuer von fünf auf acht Prozent erhöht. Das ließ die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt im zweiten Quartal so stark schrumpfen wie seit der weltweiten Finanzkrise 2008/09 nicht mehr. Davon erholt hat sie sich noch nicht – was sich auch darin zeigt, dass der Verbrauchervertrauensindex viermal in Folge sank (zuletzt im November).

Die für 2015 geplante neuerliche Mehrwertsteuererhöhung wurde inzwischen vertagt. Die Notenpresse soll weiterhin auf Hochtouren laufen, das Konjunkturpaket noch mehr Geld in die Wirtschaft pumpen. Mit dem dritten und wohl wichtigsten Aspekt von „Abenomics“ – umfassenden Strukturreformen – kommt Abe allerdings nicht recht vom Fleck. Das hängt auch mit der Demografie zusammen: In keinem anderen Industrieland altert die Bevölkerung so schnell wie in Japan. Schon heute ist rund ein Drittel über 60 Jahre alt, mehr als 60 Prozent der wahlberechtigten Japaner sind älter als 50 Jahre.

Da Japan als Ersatz für den drohenden Arbeitskräftemangel nicht auf Immigration von Ausländern setzt, muss es stattdessen die Produktivität der Wirtschaft erhöhen. In der Bevölkerung – und gerade bei den Älteren – herrscht jedoch Skepsis gegenüber Strukturmaßnahmen mit ungewissen Folgen.

Große Reformen bleiben aus

Vor allem, wenn es um den abgeschotteten Agrarmarkt, den Gesundheitssektor oder Handelsliberalisierungen geht, sieht sich Abe starkem Widerstand gegenüber. Bislang gibt es zwar viele kleine Reformansätze – aber nicht den erwarteten großen Wurf.

Japans Schulden belaufen sich bereits auf rund 240 Prozent der Wirtschaftsleistung, das Land hat damit von allen großen Industriestaaten den höchsten Schuldenberg. Finanzierungsprobleme gibt es bisher nicht, denn das Staatsdefizit wird vorwiegend von der Zentralbank finanziert, und die Zinsbelastung für Staatsanleihen ist gering. Dennoch warnen Kritiker, dass Japan nicht ewig weiter Geld drucken und Schulden machen kann. Selbst ein Staatsbankrott wird von Experten nicht mehr ausgeschlossen. (APA/DPA/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2014)

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