Der Währungs-Schock aus der Schweiz

SWITZERLAND NATIONAL BANK INTEREST RATE
SWITZERLAND NATIONAL BANK INTEREST RATE(c) APA/EPA/PETER KLAUNZER
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Die Schweizer Nationalbank gibt völlig überraschend den Euro-Mindestkurs auf. Das führt zu Panik auf den Märkten. Zu den Opfern zählen auch österreichische Franken-Kreditnehmer und Banken.

Wien. Ausgerechnet die Schweizer! Bisher galt die Nationalbank in Bern als Bollwerk einer berechenbaren Geldpolitik. Doch am Donnerstag schockierte die SNB Devisenhändler, Exporteure und Franken-Kreditnehmer mit einem Überraschungscoup: Um 10:00 Uhr gab sie bekannt, dass sie den Mindestkurs von 1,20 Franken für einen Euro ab sofort nicht mehr mit dem Ankauf von Devisen verteidige. Die Nachricht löste ein Erdbeben aus: Im Nu fiel der Euro zum Franken um 30 Prozent. Einen solchen Absturz hat es auf den Devisenmärkten seit 1971 nicht mehr gegeben. Danach pendelte sich der Kurs bei 1,02 Franken – minus 15 Prozent – ein.

Der Schweizer Aktienmarkt rasselte um elf Prozent hinunter. Die Unternehmer sehen ihre Exporte einbrechen, sie fürchten eine Rezession. Händler schimpften über den „völlig verrückten“ Schritt und einen „massiven Verlust der Glaubwürdigkeit“.

Lieber ein Ende mit Schrecken

Alle rätselten: Ist die Notenbank vor Spekulanten in die Knie gegangen? Nur einer blieb gelassen: SNB-Präsident Thomas Jordan. Er sprach einen lobenden Nachruf auf den im September 2011 eingeführten Mindestkurs, der verhinderte, dass in der Zeit größter Unsicherheit zu viel Geld in den sicheren Hafen floss und der Franken zu stark wurde. Doch mittlerweile habe sich die Schweizer Wirtschaft angepasst. Vor allem aber hätten sich die „Unterschiede“ in der Geldpolitik für Euro und Dollar „markant verstärkt“, womit sich die Strategie als „nicht mehr nachhaltig“ erwies. Was ist damit gemeint?

Der Dollar gewinnt an Wert, aus dieser Ecke ist keine Gefahr zu befürchten. Der Euro aber droht weiter zu verlieren: Kommenden Donnerstag dürfte die EZB, mit dem indirekten Sanktus des EuGH-Generalanwalts vom vorigen Mittwoch, ihre Geldpolitik durch ein Anleihekaufprogramm weiter lockern.

Die Parlamentswahlen in Griechenland am 25. Jänner könnten den Euro zusätzlich schwächen. Für die SNB hätte das bedeutet: Immer mehr Euro aufkaufen, ihre Bilanz weiter aufblähen oder ihre Goldreserven weiter reduzieren. Seit Frühling 2014 musste die Nationalbank deutlich stärker intervenieren als in der ruhigen Phase davor, ab Herbst 2012. In den letzten Wochen nahm der Druck zu. Der wachsende Berg an Devisenreserven mit unsicherem Wert ist vielen Schweizern nicht geheuer. Tatsächlich reißen die schon angehäuften Euro-Reserven durch die gestrigen Kursverluste ein großes Loch in die SNB-Bilanz. Jeder weitere Aufschub, so das Kalkül, hätte das Risiko nur vergrößert.

29,5 Mrd. an Frankenkrediten

Warum aber so überfallsartig? „Anders kann man nicht aussteigen, ohne zu Insidergeschäften einzuladen“, rechtfertigte sich Jordan. Dass die Reaktionen heftig ausfallen würden, sei klar gewesen. Auch der aktuelle Kurs sei noch ein „massives Überschießen“ in einer ersten „Orientierungslosigkeit“: „Der Franken ist jetzt klar überbewertet. Das ist nicht der Kurs, der für unsere Exportwirtschaft relevant ist“.

Jordans Wort in Gottes Ohr, hoffen auch viele Österreicher: 29,5 Mrd. an Frankenkrediten hatten sie zuletzt ausständig, die sich nun deutlich verteuern. Heimische Banken haben auch im Osten viele solche Kredite vergeben – das bringt nun ihre Aktienkurse unter Druck. Und auch der Stadt Wien drohen bei ihrem Frankenkredit weitere Verluste (alle Details in den Berichten unten).

Leicht hat es aber auch die Schweizer Notenbank nicht. Einen neuen Mindestkurs kann sie nicht mehr glaubwürdig setzen – niemand würde nach diesem Tag auf ihn vertrauen. Also bleibt als „unkonventionelles“ Mittel nur noch der Negativzins auf große Giroeinlagen bei ihr. Diesen hat sie gestern verschärft: von minus 0,25 auf minus 0,75 Prozent. Das soll den Schock abfedern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2015)

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