BIP: In China lähmt Angst das Wachstum

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Dass Chinas Wirtschaft 2014 schwächelte wie zuletzt vor 24 Jahren liegt auch an den Beamten.

Peking. Erst rauschen Shanghais Aktien in den Keller, sodass Chinas wichtigstes Börsenbarometer, der Shanghai Composite Index, am Montag 7,7 Prozent verlor. Und nun verfehlt die Volksrepublik auch noch ihr Wachstumsziel. Wie das Statistikamt in Peking am Dienstag bekannt gab, ist die chinesische Volkswirtschaft 2014 so langsam gewachsen wie seit 24 Jahren nicht. Das Bruttoinlandsprodukt legte um 7,4 Prozent zu. Die kommunistische Führung war von plus 7,5 Prozent ausgegangen. 2013 hatte das Wachstum noch bei 7,7 Prozent gelegen.

Das allein wäre noch kein Grund zur Sorge, verfehlte die Regierung ihr Wachstumsziel um doch gerade einmal 0,1 Prozentpunkte. Besorgniserregend sind jedoch die Aussichten. Denn die Verlangsamung der Konjunktur in der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft wird sich sehr wahrscheinlich fortsetzen. Der Internationale Währungsfonds (IWF), der zeitgleich in Peking seine Daten veröffentlichte, geht für 2015 nur noch von einem Wachstum von 6,8 Prozent aus. Im Herbst hatte er noch 7,1 Prozent prognostiziert.

Wachstumstreiber schwächeln

Auch diese Zahlen mögen auf den ersten Blick nicht dramatisch wirken – und gerade im Vergleich zu Europa weiterhin beeindruckend klingen. Dramatischer ist, dass vor allem zwei Wachstumstreiber Chinas schwächeln: die Exportwirtschaft und die Bauindustrie.

So macht gerade die globale Konjunkturflaute – insbesondere in Europa und Japan – Chinas Wirtschaft zu schaffen. In den Lagerhallen stapeln sich die Waren. Der niedrige Euro und der gesunkene Wert des japanischen Yen dürften Chinas Export auch 2015 zusetzen.

Aber auch die Binnennachfrage im Reich der Mitte zieht kaum an. Darauf hatte Staatspräsident Xi Jinping aber gesetzt, als er vor zwei Jahren eine Umstrukturierung der Volkswirtschaft verkündete und versprach, Aus- und Einfuhren ausgewogener und so die Wirtschaft insgesamt nachhaltiger und umweltschonender zu gestalten.

Die Reformen hat er tatsächlich in Angriff genommen. Doch der Immobilienmarkt ist deutlich abgekühlt und verunsichert Anleger. Selbst in den bislang boomenden Metropolen Peking, Shanghai und Tianjin stehen viele Hochhäuser leer. Begonnene Bauprojekte bleiben wegen fehlender Finanzierung unvollendet. Kaum einer traut sich mehr zu investieren.

Paradoxer Effekt

Immer mehr zeichnet sich ab, dass die seit fast zwei Jahren anhaltende Anti-Korruptionskampagne der chinesischen Führung inzwischen auch das Wirtschaftsleben lähmt. Seit Beginn dieser Kampagne hat die Parteispitze gegen mehr als 100.000 Beamte und Parteisekretäre Ermittlungen aufgenommen. Das jedoch hat zugleich dazu geführt, dass sich in den Amtsstuben und Staatsbetrieben kaum einer mehr traut, Entscheidungen zu fällen. Selbst in Regierungskreisen wird von einer „allgemeinen gesellschaftlichen Erstarrung“ berichtet.

Trotzdem hat das Pekinger Statistikamt auch erfreuliche Nachrichten: So bleiben der Arbeitsmarkt laut Statistikchef Ma Jiantang stabil und die Arbeitslosigkeit in den Städten trotz anhaltender Landflucht bei drei bis vier Prozent. Zudem seien die Löhne deutlich gestiegen. Das Monatseinkommen der 180 Millionen Wanderarbeiter lag 2014 im Schnitt um 9,8 Prozent höher als 2013. „Die Wirtschaft entwickelt sich in der neuen Normalität beständig“, so Ma.

China-Kenner und Buchautor Richard McGregor weist denn auch darauf hin, dass China trotz nachlassender Dynamik auch in den kommenden Jahren ein ökonomisches Kraftzentrum bleibt. „Vergesst nicht“, twitterte er nach der Veröffentlichung der Daten. „Die sieben Prozent Wachstum entsprechen – wegen des Booms der vergangenen Jahre – dem Wachstum Chinas im Jahr 2007, als die Wirtschaft um zwölf Prozent wuchs.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2015)

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