Russland droht Finanzmarktkrise

(c) Bloomberg (Andrey Rudakov)
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Wifo sieht schwarz für Russlands Finanzmarkt. Die Regierung spielt Retter. Kapitalflucht ist im realen Sektor 2014 um das Zweifache gestiegen.

Wien. Einen Tag, nachdem der Internationale Währungsfonds (IWF) die neue, nach unten korrigierte Prognose für die Weltwirtschaft präsentiert hatte, hat gestern das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo ähnlich wie der IWF dem Euroraum einen Nachfragemangel prophezeit, der den positiven Effekt des Ölpreisverfalles zunichte mache und mittelfristig nur 1,3 Prozent reale Wachstumsrate zulasse. Auch China werde nicht glänzen, mit 6,5 Prozent Wachstumsrate aber globale Wachstumslokomotive bleiben, schreibt das Wifo in seiner mittelfristigen Prognose bis 2019. Die günstigste Entwicklung wird den USA vorhergesagt, die mit 2,8 Prozent mittelfristigen Zuwachses rechnen können.

Richtig drastisch hingegen fällt das Urteil über Russland aus. In Russland drohe eine neue Finanzmarktkrise, befürchtet das Wifo. Die dortige Wirtschaft werde 2015 wegen des Rohölpreisverfalles schrumpfen, der abgewertete Rubel wirke inflationstreibend, was die Zahlungsausfälle bei Fremdwährungsschulden erhöhe und die in Russland tätigen Banken belaste.

Der schwächere Rubel mildere andererseits aber die negativen Effekte des Ölpreisverfalls auf die Exporterlöse und den Staatshaushalt. Jedenfalls bleibe die russische Wirtschaft auch mittelfristig getrübt, da die hohen Rohstoffpreise in der Vergangenheit ähnlich wie in Brasilien die Defizite der Wirtschaftsstruktur überlagerten. Russische Prognosen gehen ohnehin davon aus, dass das BIP heuer um vier bis fünf Prozent schrumpft.

Staat schluckt Wirtschaft

Darauf, dass die Wirtschaftskrise mit einer veritablen Bankenkrise einhergehen wird, hat kürzlich niemand geringerer als der Chef der größten russischen Bank Sberbank, Herman Gref, hingewiesen: „Es ist offensichtlich, dass die Bankenkrise sehr groß sein wird“, sagte er in der Vorwoche. Wenn der Ölpreis bei 45 Dollar je Barrel (leicht unter dem jetzigen Niveau) bleibe, „wird der Staat die Banken kapitalisieren und seinen Anteil an ihnen erhöhen, und die Banken werden Industrieunternehmen kaufen“. Schon binnen eines Jahres werde der Staat seinen Anteil an der Gesamtwirtschaft „dramatisch erhöhen“, so Gref: „Unsere ganze Wirtschaft wird der Staat sein.“

Die Regierung steht zur Bankenrettung mittlerweile bereit. Schon über die Weihnachtsfeiertage waren mehrere Geldinstitute mit Milliarden aufgefangen worden. Nun will der Staat fast 30 Banken stützen, wie Finanzminister Anton Siluanow am Dienstag bekannt gab. Für die Aktion stehen insgesamt 1000 Mrd. Rubel (13,3 Mrd. Euro) zur Verfügung. Welche Geldinstitute profitieren, soll demnächst bekannt werden.

Die Zeit drängt: Ist die Kapitalflucht im realen Sektor 2014 um das Zweifache gegenüber 2013 auf 101,7 Mrd. Dollar gestiegen, so im Bankensektor um das 6,6-Fache auf 49,8 Mrd. Dollar, schreibt der Finanzdienstleister Finmarket unter Verweis auf die Zentralbank: Der Großteil des Abflusses kam auf das vierte Quartal. (est/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2015)

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