Erste-Analyst: "Griechenland kann nicht zu Tode gespart werden"

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Der Linzer Professor Schneider sowie Erste-Bank-Analyst Mostböck halten die Eindämmung der Vetterwirtschaft zu den vorrangisten Aufgaben der neuen Regierung.

Aus Sicht von Erste-Group-Chefanalyst Friedrich Mostböck habe Griechenland zwei Probleme: Die Korruption und ein funktionierendes Steuersystem. "Das ist von der Troika noch nie eingefordert worden", so Mostböck am Montag. Zum einen müsse die Korruption beseitigt werden, die dieses Land zum Stillstand bringe, zum anderen müsse ein Steuersystem etabliert werden, "sonst wird das nie funktionieren können". Griechenland sollen hier Schätzungen zufolge jährlich 20 bis 25 Mrd. Euro an Staatseinnahmen verlorengehen.

Für die Forderungen des deutlichen Wahlsiegers - Schuldenerleichterungen und weniger Härte beim Reformkurs - zeigt Mostböck Verständnis: "Das ist alles okay - Griechenland kann nicht zu Tode gespart werden." In Griechenland sei man schon seit Jahren mit einer Situation konfrontiert, die unbefriedigend sei - auch für die Griechen selbst.

"Ohne Einnahmen wird man nie Schulden zurückzahlen können", so Mostböck. Dem Finanzamt seien die Einkommen großteils nicht einmal bekannt. Und von den reichen Griechen befänden sich erhebliche Mittel im Ausland, etwa in der Schweiz.

Experten erwarten Schuldenerleichterung

Mit der Forderung die Korruption vorrangig zu bekämpfen, ist Mostböck nicht alleine. Auch für den Linzer Volkswirtschaftsprofessor Friedrich Schneider werde es ganz entscheidend sein, ob Syriza - in der seit Montagvormittag fixierten Koalition mit den rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen (Anel) - die Vetternwirtschaft bekämpfe, der Steuerhinterziehung im Ausmaß von zwei bis drei Prozent des BIP pro Jahr den Kampf ansage, die Mehrwertsteuer-Erträge auf ein Niveau von 70 bis 80 Prozent des Potenzials anhebe und die Besteuerung der "Superreichen" wirklich wie angekündigt durchsetze. "Da sind zirka zwei bis drei Mrd. Euro für das Budget drin", so Schneider.

"Wenn das zügig umgesetzt wird, machen Verhandlungen mit der EU über eine Schuldenstreckung, also eine Laufzeitverlängerung, einen Sinn", so der Uni-Professor. Nach den ersten innenpolitischen Erfolgen, so es die gebe, werde Syriza-Chef Tsipras in etwa drei bis vier Wochen selbst in der EU vorstellig werden: "Ich glaube, dass ihm die EU da entgegenkommen wird".

Schuldenschnitt politisch unmöglich

"Syriza-Chef Alex Tsipras muss da etwas aushandeln, sonst ist er weg vom Fenster - das weiß auch die EU", meinte der Ökonom am Montag im APA-Gespräch. Mit einem "Haircut", also einem Schuldennachlass durch die Gläubiger, werde die EU Griechenland nicht entgegenkommen, nimmt Schneider an, "sonst werden das Länder wie Spanien, Portugal oder Irland ebenfalls fordern".

Auch Bank-Austria-Chefökonom Stefan Bruckbauer glaubt nicht, dass die künftige griechische Regierung einen weiteren Schuldenschnitt für das Land erzwingen wird. "Ein radikaler Schuldenschnitt, gefordert durch einen erpresserischen Akt der Griechen, würde wahrscheinlich für die Griechen wenig bringen, weil sie ja eh nicht so besonders leiden unter den hohen Schulden", sagte Bruckbauer am Montag zur APA.

Ein Schuldenschnitt wäre politisch nicht möglich, aber bei den Zinsen könnte man Griechenland noch weiter entgegenkommen, meinte Bruckbauer. Auch eine Fristerstreckung für die Rückzahlung wäre denkbar. Das wahrscheinlichste Szenario nach der Griechenland-Wahl sei es, dass man sich "nach ein wenig Gepolter auf griechischer Seite und Gegengepolter auf europäischer Seite hoffentlich auf höchster Ebene vernünftig zusammensetzt und etwas ausmacht, mit dem beide Seiten leben können".

Zu geringes Steueraufkommen

Die Analysten der Raiffeisen Bank International (RBI) halten ein Hinauszögern des eigentlich am 28. Februar auslaufenden Hilfsprogramms für wahrscheinlich. "Es ist auch durchaus möglich, dass wir dann ein drittes Hilfsprogramm sehen, weil sich Griechenland bei einem Zinssatz zwischen neun und zehn Prozent nicht finanzieren kann", sagte Chefanalyst Peter Brezinschek. Die ersten beiden Hilfstranchen der internationalen Geldgeber EU, Europäische Zentralbank (EZB) und Internationaler Währungsfonds (IWF) umfassten bisher 233 Mrd. Euro.

"Klar ist, dass Griechenland nach wie vor am Tropf des Auslands hängt, weil die inländische Ersparnisbildung viel zu gering ist", betonte der Marktexperte und warnte auch vor einer "Ausblutung von Einlagen bei den Banken". Die Forderungen der internationalen Geldgeber "müssen erfüllbar sein".

Ein großes Manko in Griechenland sei das zu geringe Steueraufkommen. "Offenbar wurden die Vorgaben für eine Steuerimplementierung nicht so durchgesetzt - das hängt mit der Korruption und der Bürokratie dort zusammen", so Brezinschek. Dass Steuerzahlen zur Staatsbürgerpflicht gehöre, sei in der griechischen Bevölkerung "offenbar noch nicht flächendeckend verankert".

(APA)

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