Ukraine-Zwist vermasselt Gazprom das Geschäft

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Der weltgrößte Gaskonzern erlitt in den ersten neun Monaten 2014 einen Gewinnrückgang von 35Prozent. Im dritten Quartal ging es richtig zur Sache. Neben dem Streit mit der Ukraine macht der Rubel-Verfall zu schaffen.

Wien. Das von geopolitischen Verwerfungen gekennzeichnete Jahr 2014 hat auch beim russischen Gaskonzern Gazprom tiefe Spuren hinterlassen. Zwar ist Gazprom mit der Vorlage seiner Zahlen notorisch spät unterwegs, sodass die Gesamtjahresbilanz noch Monate auf sich warten lässt. Wie aber aus den am Donnerstag präsentierten Zahlen für die ersten neun Monate hervorgeht, muss Gazprom sich mit immer mehr finanziellen Einbußen abfinden.

Demnach hat der Konzern im dritten Quartal 2014 einen Gewinnrückgang von 61Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum erlitten. Gazprom, hinter dem Ölkonzern Rosneft zweitgrößter Steuerzahler des Landes, erwirtschaftete von Juli bis September nur 105,7 Mrd. Rubel (1,4 Mrd. Euro). Der Umsatz ging um sechs Prozent auf 1,13 Bio. Rubel zurück. Hauptursachen des enttäuschenden Ergebnisses sind die vom Ölpreisverfall und der Kapitalflucht ausgelöste Rubel-Abwertung sowie der Schuldenstreit mit der Ukraine. Bezeichnend, dass die Sanktionen des Westens laut Gazprom „keinen wesentlichen Einfluss“ auf die Finanzlage des Unternehmens ausüben – in Zukunft werde man darauf aber genauer achten.

Sorgenkind Ukraine

Der Konflikt mit der Ukraine hatte zwar schon seit dem Frühjahr geschwelt. Richtig eskaliert aber ist er erst im Juni. Das relativ bessere Ergebnis in den ersten beiden Quartalen führt dazu, dass der Gewinnrückgang in den ersten neun Monaten „lediglich“ 35Prozent ausmachte und Gazprom unterm Strich 7,2 Mrd. Euro verdiente.

Die Ukraine ist und bleibt Gazproms Hauptsorgenkind und Milliardengrab. Im Streit um offene Schulden und den leidigen Gasvertrag hat Gazprom der Ukraine im Juni den Hahn zugedreht. Erst monatelange Verhandlungen unter Vermittlung der EU tauten das Eis zwischen den Konfliktparteien wieder so weit auf, dass Lieferungen zumindest bis März dieses Jahres sichergestellt wurden.

Wirrwarr um Pipelines

Wie der Gazprom-Zahlenpräsentation zu entnehmen ist, hat die ukrainische Seite im Oktober das Schiedsgericht in Stockholm angerufen und verlangt eine Kompensation von 6,2 Mrd. Dollar (5,5 Mrd. Euro), weil die Russen zu wenig Gas für den Transit zur Verfügung gestellt hätten. Laut der russischen Stiftung für Nationale Energiesicherheit habe Kiew dadurch etwa eine Mrd. Dollar weniger am Transit verdient.

Mitte Jänner hat nun Gazprom-Chef Alexej Miller die EU informiert, dass er den mit 2019 auslaufenden Transitvertrag mit der Ukraine nicht verlängern und stattdessen das für Europa bestimmte Gas über die Türkei laufen lassen werde. Ob dies ein Bluff ist, bleibt unter Experten umstritten. Skepsis löst aus, ob der Konzern ein solches Milliardenunterfangen stemmen kann, wenn er gleichzeitig eine Pipeline nach China baut.

Erst vor Kurzem hat Moskau den Bau der umstrittenen Pipeline South-Stream bis nach Wien abgesagt. Nun hat Gazprom gestern auch bestätigt, die Ostseepipeline Nord-Stream vorerst nicht auszubauen. „Die Pipeline hat eine technische Möglichkeit, jährlich bis zu 60 Mrd. Kubikmeter Gas zu transportieren. Im Moment dürfte das ausreichen“, so Konzernsprecher Sergej Kuprjanow. (est)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2015)

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