Russland: Die verkehrte Welt beim Wodka

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Die Wodkaproduktion in Russland geht so stark zurück wie fast noch nie. Nun wurde er vom Staat verbilligt. Angeblich, weil man der illegalen Produktion beikommen will.

So ganz verständlich war die Sache mit dem russischen Wodka nie. Schon allein mit der Bezeichnung haben die Russen die Welt in die Irre geführt, indem sie zur Bezeichnung des Hochprozentigen einfach die Verkleinerungsform des harmlosen Wortes „Wasser“ missbraucht haben. Nun aber spielen sich neue wundersame Phänomene rund um das Nationalgetränk ab. Vor allem das Produktionsvolumen sackte zuletzt ab wie noch nie in der jüngeren Landesgeschichte. Laut staatlicher Statistikbehörde Rosstat ging die Wodkaherstellung 2014 um ganze 22,3 Prozent auf 6,7 Mio. Hektoliter zurück. Vor allem in den Monaten November und Oktober brach sie ein – und zwar um 38,5 bzw. um 47,3 Prozent. Auch der Verkauf zeigt eine ungewöhnliche Dynamik nach unten. Demnach deckten sich die Russen im Vorjahr mit 11,9 Mio. Hektoliter Wodka und Likörerzeugnissen ein, was einen Rückgang um acht Prozent gegenüber 2013 bedeutet, so die Agentur Interfax unter Verweis auf die Statistik des Zentrums zur Konzeption der Nationalen Alkoholpolitik. Nicht nur Wodka ist betroffen, auch Spirituosen wie Cognac, von dem 1,2 Mio. Hektoliter – also um sieben Prozent weniger als im Jahr 2013 – verkauft wurden.

Dass um diese Mengen auch weniger getrunken wurde, ist deshalb aber nicht gesagt. Gerade bei den Wodkaproduktionszahlen verweisen Branchenexperten auf die hohe Akzise (Steuer), die eine Zunahme der illegalen Produktion nach sich gezogen hat. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge wird ihr Anteil an der illegalen Wodkaproduktion derzeit mit 50 bis 65 Prozent beziffert.

Der Jammer mit dem Mindestpreis

Um diesem Phänomen zu begegnen und die Position des legalen Alkohols zu stärken, geht nun der Staat einen ungewöhnlichen Weg. Und zwar hat er mit 1. Februar 2015 den 2009 eingeführten offiziellen Mindestpreis auf Wodka zum ersten Mal nicht erhöht, sondern herabgesetzt. Ein halber Liter der billigsten Sorte kostet demnach ab sofort nicht mehr 220 Rubel (2,9 Euro) wie früher, sondern nur noch 185 Rubel. Schon im Dezember hat sich Kreml-Chef Wladimir Putin gegen eine Preiserhöhung ausgesprochen, weil dies einen gegenteiligen Effekt – nämlich mehr Konsum von Surrogatprodukten – nach sich ziehe.

Nichts dergleichen, sagen Kritiker. Die Vereinigung Russische Koalition zur Alkoholkontrolle sieht vielmehr die Gefahr, dass die Sterblichkeitsrate durch diese Maßnahme wieder steigt. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht in Preissteigerungen die wirksamste Maßnahme gegen alkoholbedingt hohe Sterblichkeitsraten. Die Vermutung der Aktivisten in Russland: Das Volk werde in der Krise mit billigem Alkohol ruhiggestellt.

In der Tat wird der Preis wieder ein bestimmender Faktor im Konsumverhalten 2015 wie schon lang nicht mehr. Zum ersten Mal seit dem Jahr 2000 nämlich haben im Vorjahr die Realeinkommen zu sinken begonnen. Das BIP wird wegen der Wirtschaftskrise um drei bis fünf Prozent sinken.

Neue Trinkkulturen

Dass sich nicht nur die wirtschaftliche Situation, sondern auch das Trinkverhalten im Lauf der Jahre geändert haben, zeigt sich am Wein- oder Bierkonsum. Zunehmend zu einem Symbol des postsowjetischen Aufschwungs geworden, bleiben Wein und Bier auch in den jetzigen mageren Jahren beliebt. Mit 11,2 Mio. Hektolitern wurde 2014 fast so viel Wein verkauft wie Wodka. Dabei nahm der Weinverkauf gegenüber 2013 sogar leicht zu. Und auch der Bierkonsum ist leicht auf 110 Mio. Hektoliter gestiegen. Dies schlägt sich übrigens mit den Klagen der Bierbrauer, die in Russland meist in ausländischer Hand sind. So hat der Bierbrauer Baltika (Carlsberg Group) kürzlich erklärt, zwei Brauereien zu schließen.

Was im Übrigen die illegale Produktion betrifft, so ist diese nicht nur in der Wodka-, sondern auch in der russischen Zigarettenbranche der Fall. Die legale Produktion habe sich 2014 um 9,2 Prozent auf 310,6 Mrd. Stück verringert, so Philip Morris: Grund seien Preissteigerungen, die von einer Steigerung der Akzisen und der schwachen Wirtschaft im Ganzen herrühre. Philip Morris hält bei 27,1 Prozent Marktanteil in Russland – Konkurrent Japan Tobacco International liegt bei 35 Prozent. Die Tabakbranche leidet unter der Rubel-Abwertung, die den Import von Rohstoffen verteuert. Wegen neuer Werbebeschränkungen hat sich zuletzt der Preiskampf verschärft, um Kundschaft nicht an illegale Produzenten zu verlieren.

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