Endstation Börse für Italiens Bahn

A workers sits on his vehicle next to Frecciarossa high speed trains at the Central railway station in Milan
A workers sits on his vehicle next to Frecciarossa high speed trains at the Central railway station in MilanREUTERS
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Die Regierung Renzi beschleunigt ihre im Vorjahr angekündigte Teilprivatisierung der Ferrovie dello Stato. Noch heuer sollen 40 Prozent der Staatsbahn an die Börse gehen.

Rom. Was in vielen Ländern – darunter auch Österreich – als undenkbar gilt, könnte in Italien noch heuer Realität werden: die (Teil-)Privatisierung der staatlichen Eisenbahn. Erst im November des Vorjahres kündigte das Wirtschaftsministerium in Rom an, ein Expertenkomitee zu dem Thema einrichten zu wollen. In der Vorwoche wurde nun laut italienischen Medien bereits die Bank of America Merrill Lynch beauftragt, die Teilprivatisierung als Berater zu flankieren.

Die Regierung von Matteo Renzi ist somit auf gutem Weg, ihr selbst gestecktes Ziel zu erreichen und den Börsengang der Ferrovie dello Stato noch heuer umzusetzen. 40 Prozent des Unternehmens sollen dabei an Investoren verkauft werden, was der italienischen Staatskassa bis zu vier Milliarden Euro bringen soll. Die Eisenbahnprivatisierung gilt somit auch innerhalb des ambitionierten Privatisierungspakets – das unter anderem die italienische Post, die Flugaufsichtsbehörde Enav und den staatlichen Exportrückversicherer Sace betrifft – als das größte Projekt.

Widerstand auf der Straße

Aber nicht nur das Volumen des Privatisierungserlöses macht die Bahnprivatisierung zu so einem wichtigen Thema. Naturgemäß gibt es auch in Italien massive Widerstände gegen die Pläne. So gab es bereits im Vorjahr mehrere Großdemonstrationen gegen die Privatisierungpläne, bei denen etwa in Rom mehrere zehntausend Menschen auf den Straßen waren. Es ist daher auch wahrscheinlich, dass sich dieser vor allem von den Gewerkschaften getragene Widerstand im Frühjahr wieder verstärken wird, wenn die Privatisierungspläne noch konkreter werden.

Aber auch von Expertenseite gibt es Kritik an der Vorgangsweise des sozialdemokratischen Regierungschefs. Dabei wird nicht die Privatisierung an sich kritisiert, sondern dass die staatliche Eisenbahn als integriertes Unternehmen an die Börse gebracht werden soll. Damit würde auch ein Teil des Schienennetzes – das ja ein natürliches Monopol ist – teilprivatisiert.

Eine Vorgangsweise, die auch unter Ökonomen höchst umstritten ist. Sie plädieren in der Regel dafür, solche Unternehmen (neben Eisenbahnen betrifft dies ja auch Strom- und Telekomfirmen) zuerst in eine Netz- und eine Absatzgesellschaft zu trennen und nur Letztere zu privatisieren.

Mangelnde Nachfrage nach den Aktien der staatlichen Bahn dürfte indes kein Hemmschuh für den Börsengang sein. Denn das Unternehmen, das im Jahr 2006 noch einen Verlust von mehr als zwei Milliarden Euro verzeichnen musste, schreibt bereits seit Jahren fette Gewinne. 2013 wurde etwa ein Überschuss von 440 Millionen Euro verdient. Grund dafür sind die Hochgeschwindigkeitszüge Frecciarossa, die auf wichtigen Strecken wie Rom–Mailand den Flugverkehr nahezu obsolet machten.

In Summe will Italiens Regierung durch die Privatisierungen mehr als zwölf Milliarden Euro einnehmen. Dadurch soll Renzis „Konjunkturpolitik“ (etwa Steuersenkungen) finanziert werden, ohne die hohe Staatsverschuldung von über 130 Prozent des BIPs weiter anschwellen zu lassen. (jaz/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2015)

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