Jeder dritte Börsianer rechnet mit "Grexit"

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Beim EU-Finanzministertreffen wachsen die Zweifel an einer Einigung mit Griechenland. An den Börsen scheint ein Euroaustritt Athens seinen Schrecken bereits verloren zu haben.

Vor dem Brüsseler Showdown im griechischen Schuldenstreit wachsen die Zweifel an einer Einigung. Die neue Regierung in Athen will die ihrer Meinung nach unsoziale Sparpolitik beenden. Gleichzeitig gilt es als sicher, dass sie auf neue Milliardenhilfen von den Euro-Partnern angewiesen ist. Zu den Einigungschancen auf ein verändertes Hilfsprogramm für Griechenland wollte sich die EU-Kommission kurz vor dem Treffen der Eurogruppe nicht äußern.

Schäuble "sehr skeptisch"

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zeigte sich "sehr skeptisch". Die griechische Regierung habe sich "offenbar gar nicht bewegt." Es gehe deshalb bei dem Treffen nicht um Verhandlungen. Athen müsse vielmehr eine Entscheidung treffen, "was man eigentlich will".

Die von Athen gewünschen Änderungen beim EU-Hilfsprogramm, das im Februar ausläuft, könnten 35 Prozent ausmachen, hieß es vor Beginn der Eurogruppe. Das bedeutet, dass 65 Prozent der Auflagen des Hilfsprogramms unangetastet umgesetzt werden sollten, aber die restlichen 35 Prozent seien abzuändern.

"Grexit" verliert seinen Schrecken

Ein "Grexit" - also der Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone - verliert unterdessen zunehmend seinen Schrecken. Einer Umfrage der Investmentberatung Sentix zufolge rechnet inzwischen ein Drittel der befragten Börsianer mit einem "Grexit" - dem Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone. Sentix hat rund 1000 private und institutionelle Anleger in mehr als 20 Ländern befragt.

Mit Panik an den Finanzmärkten rechnen Experten aber nicht. "Noch vor zwei, drei Jahren wäre das ein Horror-Szenario gewesen, weil es keine Notfall-Pläne gab", sagt Folker Hellmeyer, Chefökonom der Bremer Landesbank. Für ruhigere Nerven der Börsianer sorgt vor allem die Europäische Zentralbank (EZB). Sie will über eine Billion Euro in die Finanzmärkte pumpen.

"Banken deutlich besser gerüstet"

Paras Anand, der Leiter des europäischen Aktienteams des Vermögensverwalters Fidelity, verweist zudem auf die Reform des Bankensektors. "In den vergangenen drei Jahren haben die Finanzinstitute der Eurozone Kapital aufgebaut und gegenseitige Verflechtungen reduziert. Der jüngste Stresstest hat gezeigt, dass die Banken im Großen und Ganzen deutlich besser für Krisen gerüstet sind als noch 2011." Und viele haben sich im Laufe der Krise Schritt für Schritt aus Griechenland verabschiedet.

Auch Holger Schmieding, Chef-Volkswirt der Berenberg Bank blickt dem Grexit ruhig entgegen. "Wir würden einen griechischen Unfall mit dreimonatigen Kursturbulenzen überleben."

"Eurozone lebt von Einheitsgedanken"

Nach Ansicht von Stefan Gäde von der HSH Nordbank wäre im Falle eines "Grexits" vor allem der Image-Schaden verheerend für die Währungsunion und für das Interesse der Investoren an einem finanziellen Engagement im Euroraum. "Die Eurozone lebt von dem Gedanken der Einheit und wenn diese zu bröckeln beginnt, dürfte das den Euro in Mitleidenschaft ziehen."

Der erlebt seit Monaten ohnehin eine massive Abwertung, allerdings von der EZB gewollt und zur Freude der Exporteure - nicht zuletzt in Deutschland. Ihre Waren werden deshalb auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähiger und der Absatz steigt. "Eine Staatspleite im Euroraum ist für alle Beteiligten neues und unbekanntes Terrain", warnt Marcel van Leeuwen, Geschäftsführer des Vermögensverwalters DPWT. "Es ist eine Entwicklung mit dem Potenzial einer hohen Eigendynamik.

Erleichterungsrally möglich?

Commerzbank-Analyst Lutz Karpowitz hält dagegen sogar eine Erleichterungsrally als Reaktion auf den "Grexit" für möglich. "Unsere Devisenhändler haben mir gesagt, dass sie bei einem Austritt Griechenlands den Euro sofort kaufen würden." Auch Jens Klatt, Chef-Marktanalyst des Brokerhauses FXCM in Deutschland, sieht die Gemeinschaftswährung bei einem "Grexit" nicht automatisch unter Druck. "Viele Anleger wären sicher froh, wenn man sich keine Gedanken mehr über den Unsicherheitsfaktor Griechenland machen müsste." Aus Sicht des Aktienstrategen Carsten Klude von MM Warburg, könnte der "Grexit" sogar ein Befreiungsschlag für die Eurozone werden. "Es könnte euroskeptischen Parteien in Ländern wie Spanien oder Italien den Wind aus den Segeln nehmen."

(APA/Reuters)

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