Worum es im griechischen Poker geht

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Die einen wünschen sich Überbrückungskredite ohne Auflagen, die anderen beharren auf gegebenen Spar- und Reformzusagen. Und die Zeit für einen Kompromiss wird immer knapper.

Brüssel. „Fakten, Fakten, Fakten“ – dieses Credo der deutschen Journalistenlegende Helmut Markwort taugt gut als Leitmotiv für die laufenden Verhandlungen zwischen Griechenland und seinen europäischen Gläubigern. Denn Fakten sind die griechischen Schuldner ihren Verhandlungspartnern bis dato schuldig geblieben. Die Linkspopulisten um den neuen Premier Alexis Tsipras mögen zwar recht haben mit ihrer Behauptung, wonach Menschen wichtiger seien als Zahlen. Doch ohne ein verlässliches Zahlenwerk kann es für die Griechen kein Happy End geben – so viel ist sicher.

„Die Presse“ hat die wichtigsten Zahlen zusammengetragen:

  • 172 Milliarden Euro umfasst das zweite Griechenland-Hilfsprogramm von EU, EZB und IWF, das Ende Februar ausläuft und von dem noch eine Tranche von rund sieben Mrd. Euro ausständig ist. Die alles beherrschende Frage lautet: Wie finanziert sich Athen ab dem 1.März? Tsipras und Co. wünschen sich von ihren Gläubigern einen Überbrückungskredit, der aber – anders als das laufende Programm – an keine Reform- und Sparauflagen geknüpft ist. Wenig überraschend wollen die EU-Partner davon nichts wissen.
  • 8,0 Milliarden Euro machen grob geschätzt die Versprechen aus, die Tsipras seinen Wählern gemacht hat: Stopp der Privatisierungen, Streichung der Immobiliensteuer, höherer Eingangssatz bei der Einkommensteuer sowie ein Steuerbonus für Fremdenverkehrsbetriebe.
  • 1,0 Milliarde Euro (bzw. 20 Prozent) weniger als erwartet, hat der griechische Fiskus im Jänner eingenommen – und zwar, weil die Griechen in Erwartung eines Wahlerfolgs der Linkspopulisten ihre Steuerzahlungen zurückgehalten haben. Diese Entwicklung verdeutlicht die Schwierigkeiten bei der Berechnung der exakten Finanzierungslücke im griechischen Haushalt für das laufende Jahr. Die Schätzungen gehen weit auseinander und reichen bis 17 Mrd. Euro.
  • 3,5 Milliarden Euro muss Athen im Juni aufwenden, um zwei fällig werdende Anleihen zu tilgen. Bis dahin müsste sich der griechische Staat finanziell über Wasser halten können – es sei denn, die Banken des Landes rutschen in die Krise, was immer wahrscheinlicher wird, je länger gepokert wird.
  • 20 Milliarden Euro haben verunsicherte griechische Bankkunden Schätzungen zufolge seit November von ihren Konten abgehoben, um im Falle eines Ausscheidens ihres Landes aus der Eurozone auf der sicheren Seite zu sein. Hält dieser Trend an, geht den Banken des Landes das Geld aus. Denn die Europäische Zentralbank will Athen nur dann weiter mit Liquidität versorgen, wenn es eine Einigung mit den Gläubigern gibt.
  • 65 Milliarden Euro umfasst das Liquiditäts-Notprogramm ELA, mit dem die griechische Zentralbank den Instituten des Landes aushilft. Doch auch ELA ist an die Zustimmung der EZB gebunden – und die könnte verweigert werden, falls die Krise weiter eskaliert. Dann müsste die Notenbank in Athen eigenes Geld zu drucken beginnen – der sogenannte Grexit wäre damit also perfekt.
  • 22 Prozent hat die Wirtschaftsleistung Griechenlands seit dem Beginn der Krise vor sechs Jahren eingebüßt – ein europäischer Negativrekord, auf den Tsipras verweist, um für Verständnis zu werben.
  • 4,5 Prozent Überschuss soll der griechische Staat gemäß Vorstellungen seiner Gläubiger erwirtschaften, um den Schuldenberg von insgesamt 175Prozent des BIPs abzutragen. Athen hält dies für zu hoch und bietet im Gegenzug einen Haushaltsüberschuss von 1,5 BIP-Prozent an.
  • 2,6 Prozent des BIPs musste Griechenland 2014 für den Schuldendienst aufwenden – in Spanien waren es im selben Zeitraum 3,3, in Portugal gar fünf Prozent. Die Gläubiger Griechenlands verweisen gern auf diese Zahl, um zu belegen, dass ihre Konditionen vergleichsweise mild sind.
  • 6,1 Prozent der Stimmen hat die eurokritische Alternative für Deutschland (AfD) am Sonntag bei der Wahl in Hamburg erzielt (siehe auch Artikel Seite5). Der erste Wahlerfolg der AfD in Westdeutschland setzt Bundeskanzlerin Angela Merkel unter Druck – der innenpolitische Spielraum für einen Kompromiss mit Tsipras ist seit Sonntag deshalb deutlich geringer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2015)

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