Leitl: Trotz Russland Sanktionen „Vertrauen erhalten“

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Die Ausfuhren nach Russland brechen ein. WKO-Chef Christoph Leitl ortet „Frust“ in der Wirtschaft.

Wien. Zuerst die kalten Zahlen: Der österreichische Export in die Ukraine ist im vergangenen Jahr laut Wirtschaftskammer um 23,5 Prozent zurückgegangen, jener nach Russland um rund acht Prozent. Wobei hier die endgültigen Zahlen noch nicht vorliegen – und die Kammer in ihren pessimistischsten Prognosen sogar einen Einbruch um 15 Prozent befürchtet.

Zum Vergleich: Der Export heimischer Produkte in die gesamte Welt außerhalb Österreichs hat – schwach, aber doch – um 1,4 Prozent zugenommen. „Das ist ein Lichtblick“, sagte WKO-Chef Christoph Leitl am Donnerstag im Klub der Wirtschaftspublizisten. Schlimmer als die Exporte hat es aber die Importe aus Russland getroffen, die um ein Viertel zurückgegangen sind. Vom Krieg in der Ukraine und den Sanktionen gegen Russland sind in erster Linie die Lebensmittelindustrie und der Maschinenbau betroffen, so die WKO.

Es sei allerdings schwer feststellbar, welche indirekten Wirkungen die Sanktionen mit sich bringen. Wenn die Deutschen weniger Autos nach Russland verkaufen können, dann trifft das auch die heimische Zulieferindustrie. Insgesamt hängen laut Wirtschaftskammer 50.000 Jobs in Österreich direkt oder indirekt an den Handelsbeziehungen zu Russland. „In weiten Kreisen der Wirtschaft herrschen Frust, Unlust und Aggression“, so WKO-Chef Christoph Leitl.

„Jeder Sturm geht vorüber“

„Diese Sanktionen feiern jetzt ihr trauriges, Ein-Jahr-Jubiläum“, sagte Leitl. Gebracht hätten sie wenig. Im Gegenteil: „Die Sanktionen haben beiden Seiten geschadet und uns von einer Lösung nur entfernt.“

Leitl, der sich mitten im Kammer-Wahlkampf befindet, hat aber seine eigene Analyse der Lage. Und die ist für Europa mittelfristig positiv. „Die Sanktionen wurden von der EU festgelegt und können von der EU auch wieder rückgängig gemacht werden. Jeder Sturm geht irgendwann vorüber.“ Die angespannte Lage zwischen Russland, Europa und Amerika würde man sehr genau beobachten – und nach Möglichkeit auch vermitteln. „Wir versuchen, das Vertrauen zu erhalten“, so Leitl.

Sein Dank gelte der deutschen Bundeskanzlerin, Angela Merkel, deren Offenheit für ein Freihandelsabkommen „von Lissabon bis Wladiwostok“ zu begrüßen sei. Gleichzeitig dürfe man aber auch das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP „nicht mit einer Handbewegung vom Tisch streichen“, so Leitl. Und auch Afrika dürfe man in Österreich „nicht übersehen“.

„Putin denkt europäisch“

Ebenfalls positiv beurteilt Leitl die Friedensbemühungen von Minsk. „Erstmals sind es nicht die Amerikaner, sondern die Europäer selbst, die die Dinge in die Hand nehmen“, so Leitl, der seit mittlerweile 15 Jahren an der Spitze der Wirtschaftskammer steht. Auch den russischen Präsidenten dürfe man nicht unterschätzen: „Putin ist ein Schachspieler, der sich seine Züge gut überlegt, der die Schwächen und Stärken seines Gegenübers genau kennt. Aber Österreich hat in seinen Augen einen großen Stellenwert. Putin denkt auch europäisch, nicht etwa asiatisch“, so Leitl.

In Österreich sei eine Steuerentlastung nun „dringend notwendig“. Hier stimme er sogar mit dem ÖGB überein. „Und beim Wachstum sind wir weit zurückgefallen. Kratzt das niemanden?“, fragt Leitl. Und er warnt: „Erste Stiftungen sind schon weg. Die reden nicht lange, sondern verlagern sich einfach.“ Der Versuch einer „Gegenfinanzierung“ über neue Steuern sei auch deshalb zum Scheitern verurteilt: „Die Gegenfinanzierung landet dann bei denen, die nicht weg können. Beim Mittelstand.“ (jil)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2015)

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