Chinas Jahrhundertprojekt startet

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Peking will die Seidenstraße wieder aufleben lassen – und investiert hunderte Milliarden Dollar in Straße, Bahn, Flug- und Schiffsverkehr nach Russland, Afrika und Europa.

Wien/Peking. China packt das Scheckbuch aus. In der vergangenen Woche hat die chinesische Zentralbank (PBoC) einen Fonds aktiviert, der 40 Mrd. Dollar für die Entwicklung der Neuen Seidenstraße zur Verfügung stellt. Es ist ein großer Schritt in einem langfristigen Plan, der China mit seinen asiatischen Nachbarn, Russland und Europa verbinden soll. Mit dem Fonds sollen Infrastrukturprojekte „in Asien und darüber hinaus“ finanziert werden. Er soll Investoren aus aller Welt zugänglich sein.

Die im September 2013 vom chinesischen Präsidenten Xi Jinping angekündigte Neue Seidenstraße nimmt also Gestalt an. Und Peking lässt sich nicht lumpen. Der Plan ist im Gegenteil so ambitioniert, dass man ihn getrost als Chinas Jahrhundertprojekt bezeichnen kann.

(c) Die Presse

Alles beginnt mit dem Zauberwort Infrastruktur. Konkret sollen durch den Bau von Straßen, Eisenbahnlinien, Flughäfen und Seehäfen jahrtausendealte Handelsrouten wiederbelebt werden. Erster Schritt ist die „Zerschlagung des Flaschenhalses“ bei innerasiatischen Verbindungen, sagte Xi Jinping bei einem Treffen mit Vertretern aus Bangladesch, Kambodscha, Laos, Mongolei, Myanmar, Pakistan und Tadschikistan. China wolle seine Nachbarn dazu einladen, „an Bord des chinesischen Entwicklungszuges zu kommen“, so Xi. Neben dem Fonds der Zentralbank hat China für die landesinterne Entwicklung der Infrastruktur rund 16 Mrd. Dollar beiseitegelegt. Dazu kommt die neue Asiatische Infrastruktur Investment Bank, die unter Chinas Führung weitere 50 Mrd. Dollar zu verteilen hat. Konkret hat Xi zwei Routen im Auge.

Über Moskau nach Duisburg...

Die Landroute der Neuen Seidenstraße soll im Osten Chinas starten und dann quer durch das ganze Riesenland gehen. Zentraler Hub in Westchina soll die Millionenstadt Ürümqi werden, das schon für die antike Seidenstraße einen wichtigen Knotenpunkt darstellt. Dann geht es weiter über Kasachstan, Kirgisistan, Usbekistan und möglicherweise sogar Afghanistan bis in den Iran – dann in die Türkei und von dort über den Umweg nach Moskau nach Europa. Konkret: nach Duisburg. Der Abstecher nach Moskau wurde von Xi und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin Anfang 2014 vereinbart. Wobei die Neue Seidenstraße nicht als Monolith zu verstehen ist, sondern als Kombination von verschiedenen Infrastrukturprojekten. Ein Teil ist eine geplante High-Speed-Bahnstrecke, die von Bulgarien bis in die ostchinesische Region Xinjiang verlaufen soll. Das Projekt soll rund 150 Mrd. Dollar kosten, bis 2020 betriebsbereit und bis 2030 fertig sein.

Ein ähnliches Bahnprojekt soll Moskau mit Peking verbinden. Mit einer Länge von 7000 Kilometern ist eine Strecke geplant, die dreimal so lang wäre wie die bisher längste Hochgeschwindigkeitsstrecke, die freilich auch China gebaut hat: von Peking nach Guangzhou. Das Projekt soll 230 Mrd. Dollar kosten und die Reisezeit zwischen Peking und Moskau von sechs auf zwei Tage verkürzen. Eine dritte Strecke soll China mit Laos, Thailand, Malaysia und Singapur verbinden – und insgesamt 75 Mrd. Dollar kosten. Die chinesische Führung verhandelt mit 28 Staaten über den Bau von Zugstrecken. Darunter sind auch Brasilien und die USA.

...und über Kenia nach Venedig

Die zweite Seidenstraße soll über das Meer verlaufen und Südostasien mit Afrika (konkret: Kenia) und Europa verbinden. Ganz im Sinne der geschichtsbewussten Chinesen soll die maritime Seidenstraße in Venedig enden. Die Richtung der neuen Handelsrouten ist freilich nicht rein historisch motiviert. Die EU ist heute Chinas wichtigster Handelspartner. Und China ist der zweitwichtigste Partner der EU-Staaten. Billige chinesische Produkte machen das Land auch zum wichtigsten Import-Partner Österreichs außerhalb Europas.

Die chinesische Strategie stößt mancherorts (wie etwa in Indien) noch auf Argwohn. An der Asiatischen Entwicklungsbank hat sich Indien (genauso wie Pakistan) dennoch beteiligt. Chinas Medien bemühen das Motto von der Win-win-Situation und versichern auch den USA, dass die Seidenstraßen keine Konkurrenz zu Washingtons Strategie in Asien darstellen sollen. Aber eines scheint klar: China sieht Infrastruktur auch intern als perfekte Strategie, um die Beziehungen zu Asien, Russland, Afrika und Europa zu festigen – und gleichzeitig die Dollar-Berge abzubauen, die man durch den Handel mit den USA aufgebaut hat.

AUF EINEN BLICK

Chinas Führung hat in den vergangenen Jahren gleich zwei „chinesische Träume“ entworfen. Einen für die eigene Bevölkerung – den anderen für die ganze Welt. Die geplante Neue Seidenstraße soll zwei antike Routen wieder aufleben lassen. Eine über den Landweg: von Chinas Osten über Zentralasien, den Iran und die Türkei nach Moskau und schließlich ins Zentrum von Europa – oder konkret: nach Duisburg. Dazu kommen extrem ambitionierte Projekte zum Bau von Hochgeschwindigkeits-Zugverbindungen. Eine soll von Bulgarien bis nach Ostchina laufen. Eine andere von Moskau nach Peking. Die zweite Strecke, die maritime Seidenstraße, soll Südostasien mit Indien, Afrika und schließlich Europa verbinden. Neben den staatlichen Investitionsprojekten (allein die Eisenbahnstrecken kosten hunderte Mrd. Dollar) legt China einen Fonds der Zentralbank auf: 40 Mrd. Dollar zur Unterstützung von weiteren Infrastrukturprojekten. Und eine neue Entwicklungsbank soll 50 Mrd. beitragen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2015)

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