Alan Greenspan: Der alte Mann und das Gold

Alan Greenspan
Alan Greenspan(c) REUTERS (JONATHAN ERNST)
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Er hat die US-Geldpolitik 18 Jahre lang bestimmt. Jetzt baut er auf Gold und prognostiziert ein „dickes Ende“ an den Börsen. Was ist mit Alan Greenspan los?

Wien/Washington. In zwei Wochen wird der alte Mann der Geldpolitik noch älter. Alan Greenspan feiert am 6.März seinen 89. Geburtstag. Der Ökonom stand 18 Jahre lang an der Spitze der US-Notenbank Federal Reserve. Und obwohl mit Janet Yellen bereits seine zweite Nachfolgerin (nach Ben Bernanke) im Amt ist, bleibt Greenspan der „Mr. Dollar“ schlechthin.

Erst unter dem „Maestro“, der als Kind eigentlich Musiker werden wollte, sind die Notenbanker ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Erst seit seiner Amtszeit ist aus der Interpretation jeder Notenbanker-Silbe ein wahrer Volkssport geworden. Greenspan ist es auch, der die Ära des billigen Geldes eingeleitet hat – nach dem Platzen der Internetblase Anfang des Jahrtausends. Aber der Pensionist Greenspan redet ganz anders als der Fed-Chef Greenspan. Kurz gesagt: Alan Greenspan hält sich nicht mehr an das Narrativ, das von ihm selbst stammt.

So sagte er dem Analysten Brien Lundin kürzlich am Rande der New Orleans Investment Conference, dass die Federal Reserve aus der 2007 begonnen Ära von Quantitative Easing und Zinsen am Nullpunkt „nicht ohne große Turbulenzen“ auf dem Markt werde aussteigen können. Das mag manchen logisch erscheinen, immerhin befinden wir uns mitten im größten geldpolitischen Experiment, das die Welt je gesehen hat. Aber über die negativen Folgen der Nullzinspolitik zu sprechen war bisher eher Analysten am Rand des Spektrums vorbehalten. Mit Alan Greenspan kommen diese Äußerungen hingegen vom ultimativen Insider. Es gibt wohl niemanden auf der Welt, der so viel über die tatsächliche Funktionsweise der Märkte von heute weiß.

„Gold ist eine Währung“

Noch erstaunlicher als seine Warnungen vor einer neuen Krise sind Greenspans Ansichten zum Thema Gold. Es ist kein Geheimnis, dass die Notenbanker der Fed eigentlich nicht gern über das Metall reden. Aber Greenspan? Der setzte sich Ende vergangenen Jahres vor ein Publikum voller Experten beim Council on Foreign Relations in Washington. Ein Thinktank, dessen Bedeutung für die US-Politik so gewaltig ist, dass er oft als „Schattenregierung“ bezeichnet wird.

Greenspan sorgte dort für großes Erstaunen als er erklärte, warum er höhere Goldpreise erwartet: „Gold ist eine Währung“, sagte Greenspan der sichtlich überraschten Moderatorin von der „Financial Times“. „Es ist noch immer die wichtigste Währung, an die keine andere Währung herankommt – inklusive des Dollars.“ Im selben Gespräch bezeichnete Greenspan die auf rund vier Billionen Dollar aufgeblähte Bilanzsumme der Fed als „Haufen aus Brennholz“. Ein Funke würde genügen, um die inflationären Kräfte zu entfachen, die mit der Ausweitung der Basisgeldmenge durch Quantitative Easing geschaffen wurden.

Nur beim Euro ist sich Greenspan mit den meisten seiner US-Kollegen einig. Griechenland werde das europäische Währungskonstrukt bald verlassen müssen, so Greenspan. Er sieht also weder in den USA noch in Europa viel Grund zum Jubeln – auch wenn die USA und auch Großbritannien besser dastehen würden als die Eurozone. Für Greenspans Verhalten gibt es freilich eine ganze Reihe von Erklärungen. Die harmloseste: Greenspan will bloß seine Bücher bewerben. Außerdem arbeitet er als Berater für den Hedgefonds von John Paulson, der als Goldfan gilt.

Aber reicht das, um die Meinungen des Super-Insiders Greenspan zu disqualifizieren? Oder sagt uns der alte Mann jetzt die Wahrheit, wenn er vor „großen Turbulenzen“ warnt – weil er sie schon lange kommen sieht? Nur eines ist sicher: Greenspan mag fast 90 sein, aber sein Geist ist scharf wie eh und je – was auffällt, wenn er stundenlang über die Welt der modernen Märkte redet. [ Reuters ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2015)

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