Schweiz: Gäste aus Europa bleiben aus

(c) Schweiz Tourismus (Studio Babylon)
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Schweiz Tourismus prognostiziert für die Bergregionen einen Nächtigungseinbruch um 17 Prozent bei den europäischen Nächtigungen. Das werde den Strukturwandel beschleunigen.

Zürich/Wien. Es brauche mehr Wertschätzung für normale Touristen. Mit dieser Forderung ließ Swatch-Chef Nick Hayek in einem Interview mit der „Schweiz am Sonntag“ aufhorchen. Der Schweizer Tourismus agiere wie einst die Schweizer Uhrenindustrie, die sich früher auch nur für das oberste Kundensegment interessiert, keine Innovationen entwickelt und nur ständig die Preise erhöht habe. An der Schweizer Hotellerie vermisse Hayek die Familienfreundlichkeit. Es brauche mehr Billigangebote.

Der starke Franken setzt den Schweizer Fremdenverkehr unter Zugzwang. Auch wenn Schweiz- Tourismus-Chef Jürg Schmid am Montag für 2014 eine positive Bilanz präsentieren konnte – die Zahl der Übernachtungen ist im vergangenen Jahr um 0,9 Prozent auf 35,9 Millionen gestiegen – für 2015 sieht die Welt nicht allzu rosig aus. Vor allem im alpinen und ländlichen Raum prognostizierte Schmid in den nächsten zwei Jahren Nächtigungseinbrüche aus Europa von bis zu 17 Prozent, sollte der Euro-Wechselkurs bei 1,05 Franken bleiben. Die touristischen Bergregionen hängen laut Schmid viel stärker von europäischen Gästen ab, die preissensibler reagieren als zum Beispiel Touristen aus Asien. Das werde den Strukturwandel, der ohnehin schon im Gang sei, noch mehr beschleunigen. Erstmals werde dieser auch „vorbildlich geführte Betriebe“ treffen, so Schmid. Die Städte, in denen zwei Drittel der Übernachtungen von Geschäftsleuten gebucht würden, seien weniger stark betroffen.

Besinnung auf Heimatmarkt

Der wichtigste Markt für die Schweiz ist mit 44,6 Prozent Marktanteil mit Abstand die Schweiz selbst. Die Schweizer sind ihrem Land treu. Im vergangenen Jahr wurde bei den einheimischen Gästen zum ersten Mal seit Anfang der 1990er-Jahre die Schwelle von 16 Millionen Übernachtungen erreicht. Darauf will man jetzt aufbauen. Schweiz Tourismus investiert 3,9 Mio. Franken (3,6 Mio. Euro) in eine an die Schweizer gerichtete Werbekampagne. Immerhin gehören die Schweizer ja auch zur kaufkräftigeren Klientel, die man ansprechen will.

Die Kritik von Swatch-Chef Hayek, dass der Schweizer Tourismus zu elitär agiere, prallt an den Touristikern ab. „Ich kann das nicht nachvollziehen“, sagt Urs Weber, Marktmanager von Schweiz Tourismus in Österreich. Der Fokus auf „nicht preissensible Gäste“ sei in der jetzigen Situation die richtige Strategie. „Die Möglichkeiten, an der Kostenschraube zu drehen, und günstigere Preise anzubieten, sind begrenzt. Wir haben einfach höhere Kosten. Die Löhne und die Waren sind teurer als im EU-Ausland“, sagt Andreas Keller, Sprecher der Schweizer Bergbahnen.

Die Touristen mit den höchsten Pro-Kopf-Ausgaben kommen laut Weber aus den Golfstaaten und China. Märkte, in denen die Schweiz schon länger sehr aktiv sei. Die kaufkräftigste Klientel ist zum Glück der Schweizer auch die wachstumsstärkste: So legten die Nächtigungen aus den Golfstaaten 2014 um 23,7 Prozent zu. Jene aus China stiegen um 15,6 Prozent. Die Nächtigungen aus Europa (ohne Schweiz) sind 2014 hingegen um zwei Prozent zurückgegangen.

Mehr Direktflüge ins Baltikum

Vermehrt ansprechen will Schweiz Tourismus auch gut verdienende Touristen in den baltischen Staaten, im Balkan und in der Türkei – unterstützt durch mehr Direktflüge der Swiss in diese Regionen.

Glück im Unglück ist für die Schweiz, dass sie, was die ausländischen Herkunftsländer betrifft, breit aufgestellt ist, viel breiter als Österreich. Bis auf Deutschland (Marktanteil zwölf Prozent) bewegen sich die ausländischen Herkunftsländer alle im niedrigen einstelligen Prozentbereich – europäische und nicht europäische Länder gleichermaßen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2015)

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