Rekordzahlen bei Autorückrufen

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Immer mehr Autos müssen wegen Defekten vom Hersteller zurückgeholt werden. Oftmals fordern diese Mängel Menschenleben. Experten sehen Zeit- und Kostendruck als Grund.

Wien. Takanobu Ito, der mittlerweile Exchef des japanischen Autobauers Honda, hatte sogar auf sein Gehalt verzichtet, um Konzernchef bleiben zu können. Doch der Druck wurde zu groß, und er trat am Montag zurück. Der jüngste Skandal um defekte Airbags des Zulieferers Takata hatte Honda schwer belastet. Bereits fünf Menschen starben wegen der mangelhaften Luftkissen, die teilweise explodieren.

Takata ist der weltgrößte Airbag-Produzent. Jeder fünfte Airbag wird von dem japanischen Konzern hergestellt – Honda ist der wichtigste Kunde. Weltweit mussten wegen des fehlerhaften Aufprallschutzes mehr als 21 Millionen Autos zurückgerufen werden. Betroffen ist nicht nur Honda, es sind auch deutsche Hersteller wie BMW.

Deutsche Autohersteller, gemeinhin Inbegriff von Zuverlässigkeit und Qualität, mussten im vergangenen Jahr sogar einen Negativ-Rekord hinnehmen. Deutschland verzeichnete bei 127 Rückrufaktionen mehr als 1,9 Millionen zurückgeholte Autos. „Seit Einführung des Produktsicherheitsgesetzes 1997 waren es nicht so viele“, erklärt Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Deutschland.

145 Rückrufe in Österreich

Österreich zählte 2014 sogar 145 Rückrufaktionen. Hierzulande werden jährlich zwischen 70.000 und 150.000 Autos zurückgerufen, erklärte ein Sprecher des für Konsumentenschutz zuständigen Sozialministeriums. Thomas Stix vom Verkehrsclub ÖAMTC sieht drei Faktoren als ausschlaggebend dafür, dass immer mehr Autos zurückgerufen werden müssen. „Moderne Autos werden komplexer, gleichzeitig steigen Zeit- und Kostendruck, worunter die Qualität leiden kann. Weiters wird im Zuge des Gleichteile-Prinzips ein und dasselbe Bauteil in verschiedene Autotypen und Marken eingebaut. Kommt es dann zu einem Produktfehler, sind schnell sehr viele Autos betroffen“, sagt Stix.

Darüber hinaus seien die Hersteller vorsichtiger geworden, da sie umfangreich haften, wenn etwas passiert, erläutert der technische Leiter des Verkehrsclubs Arbö Erich Groiss. „Die Leute klagen schneller, deshalb ziehen die Hersteller Autos eher zurück als früher“, meint Groiss.

Von den Rückholaktion seien mittlerweile alle Marken und Preisklassen betroffen, attestiert Stix. „Hier gibt es keine eindeutigen Tendenzen“, erklärt der ÖAMTC-Autoexperte.

Kommt es zu einer Rückrufaktion, müssten Hersteller oder Händler den Fahrzeughalter darüber informieren. Zusätzlich werde der Versicherungsverband verständigt, da über die Versicherung Zweit- oder Drittbesitzer einfacher ausfindig gemacht und in Kenntnis gesetzt werden könnten, heißt es beim ÖAMTC.

Tote wegen zu späten Rückrufs

Die meisten Rückrufaktionen verzeichnete der US-amerikanische Automobilkonzern General Motors (GM). Im Skandal um den zu spät angelaufenen Rückruf von Fahrzeugen mit defekten Zündschlössern gestand GM bisher die Schuld an 51 Todesfällen ein. GM zahlt für jedes Todesopfer mindestens eine Million US-Dollar (880.500 Euro). Hinterbliebene Ehepartner und Unterhaltsberechtigte sollen mit je 300.000 US-Dollar entschädigt werden.

General Motors musste Anfang 2014 2,6 Millionen Autos zurückrufen, weil Zündschlösser während der Fahrt in die Aus-Position sprangen und so neben dem Motor mitunter auch die Elektronik ausgeschaltet wurde.

Die Serie defekter Autos reißt auch 2015 nicht ab. Nach nicht einmal zwei Monaten wurden knapp 500.000 Autos weltweit zurückgerufen. So hatte Daimler Mitte Februar in Deutschland und China 150.000 Autos in die Werkstatt beordert. Grund waren Autoteile, die sich lösen und Feuer fangen könnten. Fiat Chrysler musste mehr als 228.000 Jeep Cherokees zurückrufen. Porsche holte 14.500 Fahrzeuge aus China wegen defekter Nockenwellen zurück, und Audi rief 80.000 Fahrzeuge wegen defekter Benzineinspritzungen zurück. (and)

AUF EINEN BLICK

Autorückruf. Nach dem Skandal um defekte Airbags in den Fahrzeugen trat am Montag der Honda-Chef zurück. Bereits fünf Menschen kamen wegen der mangelhaften Luftkissen ums Leben. Generell steigt die Zahl der Rückrufaktionen von Autoherstellern. Experten von ÖAMTC und Arbö sehen u. a. Zeit- und Kostendruck als Gründe. Tendenzen in Bezug darauf, welche Autos besonders fehleranfällig sind, gibt es jedoch keine. General Motors verspäteter Rückruf kostete bereits 51 Menschenleben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2015)

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