Länderbericht: EU-Kritik an enormer Reformfaulheit

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Zu hohe Steuern, ein versagendes Bildungssystem, ein wettbewerbsfeindliches Umfeld: Der Länderbericht Österreich der EU-Kommission rechnet mit der Reformunlust ab.

Wien. Viel zu hohe Steuern, nicht nachhaltig abgesicherte Gesundheits- und Pensionssysteme, ein Bildungssystem, das ganze Bevölkerungsgruppen benachteiligt und die falschen Qualifikationen liefert, ein wettbewerbsfeindliches Unternehmensumfeld: Im jüngsten Länderbericht Österreich geht die EU-Kommission mit der Alpenrepublik hart ins Gericht. Das Ganze ist noch keine offizielle Stellungnahme der Kommission, sondern ein Commission Staff Working Document (im Internet abrufbar unter anderem unter www.parlament.gv.at/PAKT/AKT/EUMAIL/XXV/EUMAIL_00309.shtml), das im Frühjahr noch mit der Regierung in Wien „diskutiert“ wird. Aber der Inhalt hat es in sich.

Eingangs stellt das EU-Papier fest, dass die österreichische Wirtschaft seit Mitte 2012 stagniert, dadurch deutlich Weltmarktanteile verloren habe und dies wegen der schwachen Investitionen auch nicht so schnell aufholen werde. Dann werden die Schwachstellen schonungslos aufgezählt:


• Das Bankensystem sei durch das hohe Engagement in Osteuropa weiter mit erheblichen Risken belastet, die unangenehme Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen und die Finanzmarktstabilität haben könnten.


• Das Steuersystem habe gravierende Schwächen, die auf hohe Steuerbelastung, geringe steuerliche Autonomie der Länder und die Komplexität der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern zurückzuführen seien.


• Das Gesundheitswesen und das Pensionssystem hätten zwar schon einige Reformen hinter sich, deren „langfristige Nachhaltigkeit“ sei aber nicht gesichert. Die bisherigen Pensionsreformen würden nicht zu signifikanten Ausgabeneinsparungen führen.


• Die österreichischen Arbeitsmarktdaten seien zwar besser als in den meisten anderen EU-Ländern. Die niedrige Beschäftigung von Älteren, Frauen und Migranten werde aber langfristig zu Problemen führen.


• Das Bildungssystem benachteilige Jugendliche mit „niedrigem sozioökonomischem Status“ und junge Migranten krass, erworbenen Qualifikationen mangle es überdies in zu vielen Fällen an „Marktrelevanz“.


• Zu viele und restriktive Regulatorien für Unternehmen bremsen die Wirtschaftsdynamik, die Innovationsfähigkeit und die Investitionsfreudigkeit – was natürlich Auswirkungen auf die erwähnte verschlechterte Position Österreichs auf den Weltmärkten hat.


Zum Steuersystem merkt das Kommissionspapier an, dass Österreich bei Steuern und Abgaben auf Arbeit (einschließlich Lohnnebenkosten) signifikant über dem EU-Schnitt liege. Ein Alleinverdiener mit Durchschnittseinkommen kommt demnach (mit Nebenkosten) auf eine Belastung von knapp 50 Prozent. Nur Belgien liegt in der EU noch höher, Deutschland kommt ungefähr auf den österreichischen Wert. Bei der Reduzierung der Steuerlast auf Arbeit habe es keine Fortschritte gegeben. Ob das im Rahmen der geplanten Steuerreform geschehen werde, sei noch nicht klar. Das Kommissionspapier empfiehlt übrigens eine Umschichtung auf Grund-, Erbschafts- und Schenkungssteuer.

Schädlicher Föderalismus

Sehr kritisch sieht die EU-Kommission die fiskalischen Auswirkungen des heimischen Föderalismus: Die organisatorischen Beziehungen zwischen den Gebietskörperschaften seien komplex, was Effizienzverluste in entscheidenden Sektoren der öffentlichen Verwaltung hervorrufe.

Zudem habe Österreich den niedrigsten Anteil an Ländersteuern in der gesamten EU. Das führe zu einem Auseinanderklaffen von Einnahmen- und Ausgabenverantwortung, was besonders in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Sozialtransfers zu beträchtlichen Effizienzeinbußen führe. Zu hohen Reibungsverlusten führe diese Staatskonstruktion auch in den wichtigen Bereichen Innovation und Forschung.

In Sachen Föderalismusreform habe es keine Fortschritte gegeben, bekrittelt die EU-Kommission. Die Arbeit der diversen eingesetzten Reformkommissionen hätte nur sehr begrenzte Ergebnisse hinsichtlich der Organisation und der Machtverteilung innerhalb des Staates gebracht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2015)

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