Griechenland: Woher 1,6 Mrd. Euro nehmen, wenn nicht leihen?

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Griechenland/EU. Ohne rasche Hilfen droht Athen bereits im März das Geld auszugehen. Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem stellt Unterstützung in Aussicht – vorausgesetzt, Griechenland packe Reformen zügig an.

Brüssel. Nach dem Drama ist vor dem Drama. Nur wenige Tage nach dem Durchbruch bei den Verhandlungen zwischen Griechenland und seinen europäischen Gläubigern – Athen hatte beim Treffen der Finanzminister der Eurozone am 20. Februar so gut wie alle Forderungen der internationalen Geldgeber punkto Spar- und Budgetvorgaben akzeptieren müssen – ist die Lage des griechischen Staatshaushalts erneut in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Zu verdanken haben das die Griechen ihrem Finanzminister, Yanis Varoufakis, der in einem Fernsehinterview am Wochenende mehr oder weniger offen eingestanden hat, dass sein Land am Rande der Zahlungsunfähigkeit stehe. Auf jene 6,7 Mrd. Euro angesprochen, die Athen im Sommer der Europäischen Zentralbank (EZB) zurückzahlen müsse, antwortete Varoufakis mit „wenn wir das Geld hätten, würden wir bezahlen“. Der mittlerweile für seine – vorsichtig formuliert – erfrischend direkte Verhandlungsweise bekannte Ökonom scheint also davon auszugehen, dass die Links-rechts-Regierung von Premier Alexis Tsipras ohne frisches Geld (oder einen Schuldenerlass) nicht über die Runden kommen wird.

Steuereinnahmen hinter Plan

Noch vor wenigen Monaten war das anders: Damals wollte Tsipras' Vorgänger Antonis Samaras Griechenland aus dem Hilfsprogramm an die internationalen Finanzmärkte zurückführen. Eine vorzeitige Wahl und veränderte Grundbedingungen machten Athen einen Strich durch die Rechnung. Schätzungen der Analytiker von Teneo Intelligence zufolge blieben die Steuereinnahmen 2014 1,3Mrd. Euro unter den Erwartungen, in den ersten zwei Monaten seit Jahresbeginn lagen sie jeweils knapp 20 Prozent hinter Plan.

Abseits aller mittelfristigen Überlegungen hat Athen aber ein unmittelbares Finanzierungsproblem: Im März gilt es, dem Internationalen Währungsfonds rund 1,6Mrd. Euro zurückzuzahlen. Vertreter des IWF stellten bereits klar, dass der Fonds einen Aufschub als Zahlungsausfall werten müsste – mit allen negativen Konsequenzen, die ein „Default“ nach sich zieht. Ob die griechische Regierung den Betrag zusammenkratzen kann, ist noch nicht bekannt – im Gegensatz zum Zahlungsbedarf im laufenden Jahr: Bis Dezember muss Athen 17,4 Mrd. Euro für Zinszahlungen und Kredittilgungen beiseitelegen – davon rund dreieinhalb Milliarden bis Juni. Die restlichen Mittel aus dem laufenden, 172 Mrd. Euro schweren Hilfsprogramm (es geht dabei um gut sieben Mrd. Euro) wollen die Geldgeber nur dann lockermachen, wenn Athen seine Zusagen gegenüber den Gläubigern erfüllt – und das soll erst Ende April überprüft werden. Gesucht wird nun die Antwort auf diese Milliardenfrage: Woher nehmen, wenn nicht leihen?

Tsipras und Varoufakis haben auf diese Frage eine Antwort gefunden: Die EZB solle demnach ihr Limit für die Emission kurzfristiger Anleihen anheben, damit Athen frische Schuldscheine ausgeben kann – und de facto nach Frankfurt weiterreichen. Dort ist den handelnden Personen bei diesem Gedanken alles andere als wohl zumute, denn damit wäre die EZB in einem noch stärkeren Maße als bisher in die griechische Fiskalpolitik verstrickt. Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem stellte den Griechen stattdessen eine vorzeitige Auszahlung der Hilfsgelder in Aussicht – vorausgesetzt, sie würden ausstehende Reformen zügig anpacken. (la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2015)

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