Supermarktkasse: Warum sich Selbstbedienung nicht durchsetzt

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Bereits vor mehr als 20 Jahren wurde die Checkout-Revolution im Einzelhandel angekündigt. Doch dazu kam es bis dato nicht.

Angesagte Revolutionen finden selten statt. Das gilt auch für den Einzelhandel. Nein, es geht nicht um Online-Shopping, denn dieser hat bereits Eingang in unseren Alltag gefunden. Es geht um die Bezahlung an den Supermarktkassen. Bereits vor mehr als zwanzig Jahren wurde der Siegeszug des Selfscannings und des Bezahlens ohne Kassiererin angekündigt. Doch stattgefunden hat bis heute recht wenig. Das Kölner Handelsforschungsinstitut EHI zählt bei einer bundesweiten Aufnahme ganze 180 Geschäfte im gesamten deutschen Bundesgebiet, berichtet die "Welt". EHI-Chef Michael Gerling kommentiert die aktuelle Situation nüchtern: "Im Moment lässt sich keine dynamische Entwicklung feststellen."

Jede Fünfte Konsument wäre bereit

Doch wieder einmal macht sich die Industrie selbst Mut. "Ich habe in den letzten neun Monaten mehr Gespräche über das Thema Self-Check-out geführt als in den zehn Jahren zuvor", sagte Michael Bayer, Vorstandsmitglied des Herstellers NCR, auf der Düsseldorfer EuroCis, einer Messe für die Ausstattung von Einzelhändlern. "Die Unternehmen spüren, dass sie reagieren müssen, weil die Kunden das wollen", meint Bayer.

Aussagen, die durch eine ÉHI-Umfrage Bestätigung finden. Demnach hat jeder Fünfte Selbstbedienungskassen irgendwann auch schon einmal benutzt – und sich damit zumindest zeitweise das Gefühl erspart, grundsätzlich in der falschen Schlange zu stehen. Ebenfalls nur ein Fünftel der rund 4000 Befragten lehnt die eigene Tätigkeit an der Kasse grundsätzlich ab.

Etwa 14 Millionen Menschen, so EHI-Chef Gerling, wären durchaus bereit, öfter selbst im Geschäft abzurechnen. Das meistgenannte Motiv dabei ist Zeitersparnis. Andere wollten sich den Stress des Umpackens an der Kasse ersparen oder glauben, dass sie so besser kontrollieren können, ob die abgerechneten Preise auch stimmen.

Österreich: Versuche bei Spar und Ikea

Doch die Chancen derzeit stehen in Deutschland schlecht. Nicht viel anders ist die Situation in Österreich, wo gerade der zweitgrößte Lebenshändler Spar in seinen neuesten Supermärkten einen weiteren Versuch startet, die Österreicher zum Selfscanning und Selbstbezahlen zu überreden. Daneben bietet hierzulande nur die Möbelkette Ikea ein herzeigbares System. In Deutschland hat auch die Metro-Tochter Real einige Kassen aufgebaut, ansonsten experimentiert gegenwärtig nur noch eine Handvoll selbstständiger Rewe- und Edeka-Kaufleute mit solchen Systemen.

In anderen europäischen Ländern, vornehmlich in nördlichen Gegenden wie in Skandinavien, den Niederlanden, Großbritannien sind Unternehmer und Kunden schon weiter.

Bargeldzahler in der Überzahl

Den Hauptgrund, warum die Entwicklung in Deutschland nicht weitergeht, ortet NCR-Fachmann Bayer darin, dass in Deutschland noch der innovative Konzern fehle, der auf den Zug aufspringt und das Thema für sich als Teil der Markenstrategie entdeckt. In anderen Ländern seien Innovatoren schon vor einem Jahrzehnt vorgeprescht. In den Niederlanden beispielsweise Ahold ("Albert Heijn"), in Belgien Delhaize, in Skandinavien ICA Supermarket.

Für die Zurückhaltung der Deutschen hört Bayer handfeste Gründe bei seinen Gesprächspartnern aus der Branche. Einer davon: Kartenzahlung ist in Deutschland wenig verbreitet. Im Lebensmittelgeschäft – dem mit Abstand umsatzstärksten Zweig des Handels überhaupt – entfallen kaum 20 Prozent der Umsätze auf Kartenzahler. In Österreich sind die Anteile von Bar- und Kartenzahlung ähnlich.

Und hier liegt das eigentliche Problem. Denn bei Selbstbedienungskassen ist Plastikgeld Pflicht. Und der Händler braucht eine gewisse Anzahl von Kunden, die sich das Selbstscannen vorstellen können – sonst lohnt der Aufwand für die Selbstbedienungskassen nicht. Schließlich benötigen die auch Ladenfläche, auf der sonst Regale stehen und für Umsatz sorgen könnten. "Die Händler brauchen 25 bis 35 Prozent Kunden, die den Self-Check-out nutzen", kalkuliert Bayer.

Verlust von Arbeitsplätzen unbegründet

Entscheidend, da sind sich alle Fachleute einig, ist gerade in der Startphase der erste Eindruck der Konsumenten. Die meisten betrachten es beispielsweise nach der EHI-Umfrage als Todsünde, wenn Sonderangebote beim Einscannen nicht korrekt erscheinen – zu häufige Abweichungen wären ein Ko-Kriterium.

Auch die Urangst vor Arbeitsplatzverlusten ist ein wesentlicher Faktor. Doch Handelsforscher Gerling wehrt ab: „Diese Furcht ist absolut unbegründet, das Thema Selbstbedienungskasse ist vom Einzelhandel nicht als Rationalisierungsprojekt angelegt." Die Systeme würden immer in Kombination mit konventionellen Kassen benutzt – schon, um die Mehrheit der Kunden nicht zu verärgern, die weiterhin einer Kassiererin die Arbeit des Erfassens der eingekauften Ware überlassen möchten.

>> Artikel in "Die Welt"

(Red.)

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