Böse Brause? Fanta und die Nazi-Zeit

Fanta ist ein Getränk aus dem Hause Coca- Cola.
Fanta ist ein Getränk aus dem Hause Coca- Cola.(c) Sammlung Rauch / Interfoto / picturedesk.com
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Das orangefarbene Getränk Fanta wird 75 Jahre alt. Der Coca-Cola-Konzern nahm dies zum Anlass, um ein Werbevideo zu drehen, das im Internet die Wogen hochgehen ließ.

Der Shitstorm war nicht mehr zu stoppen: Heuer feiert die Limonade Fanta ihren 75. Geburtstag. Zum Jubiläum bringt der Eigentümer, der Coca-Cola-Konzern, mit „Fanta Classic“ eine neue Version des Getränks auf den Markt. Zur Einführung wurde ein Werbevideo produziert. Darin hieß es, dass vor 75 Jahren in Deutschland die Rohstoffe für die Herstellung von Coca-Cola knapp gewesen seien. Die Mitarbeiter von Coca-Cola in Deutschland seien „ziemlich schlaue Köpfe“ gewesen und hätten sich etwas einfallen lassen. Sie hätten eine „zündende Idee“ gehabt und aus den wenig vorhandenen Zutaten ein neues Getränk entwickelt: Fanta.

In dem Werbefilm wird Fanta als „deutsche Ikone“ bezeichnet. Mit dem Getränk „Fanta Classic“ wolle man zum 75. Geburtstag das Gefühl der „guten alten Zeit“ zurückbringen. Kaum war das Video im Internet zu sehen, folgte eine Welle der Empörung. In sozialen Medien fragten Nutzer, ob Coca-Cola mit der „guten alten Zeit“ in Deutschland die Nazi-Zeit gemeint habe. „Die mangelhafte Reflexion der Vergangenheit ist wirklich keine Meisterleistung“, kritisiert die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Der „Stern“ titelte: „Coca-Cola verharmlost die Nazi-Zeit.“

Denn in dem Werbevideo wurde verschwiegen, dass die Rohstoffknappheit in Deutschland vor 75 Jahren mit den Einfuhrbeschränkungen und den Vernichtungsfeldzügen von Adolf Hitler zusammenhing. Auf der Internetplattform YouTube wurde das umstrittene Video entfernt. Inzwischen reagierte auch Coca-Cola. In einer Stellungnahme heißt es, dass die „gute alte Zeit“ in keiner Form auf die Nazi-Zeit gemünzt gewesen sei. „Vielmehr wollten wir an die Kindheit vieler Kunden erinnern.“ Coca-Cola distanziere sich in jeder Form von der Nazi-Zeit, heißt es. Jetzt soll das Video überarbeitet werden.


Aufarbeitung. Der breiten Öffentlichkeit ist wenig bekannt, dass führende US-Firmen mit Nazi-Deutschland Geschäfte machten. Der US-Publizist Edwin Black zeigte etwa in dem Buch „IBM und der Holocaust“ die wirtschaftlichen Verbindungen zwischen der New Yorker Firma und den Nazi-Schergen auf. Mit dem Lochkartensystem und den Hollerith-Maschinen von IBM konnten die Nazis die Deportationen der jüdischen Mitbürger ins Konzentrationslager und den Massenmord leichter organisieren.

Auch Coca-Cola hat eine Vergangenheit mit Nazi-Deutschland. Unter der Nazi-Herrschaft stieg der Absatz der Limonade in Deutschland stark. 1933 wurden rund 100.000 Kisten mit dem Getränk verkauft. 1939 waren es bereits 4,5 Millionen. Anfangs war es gar nicht so einfach, dass sich in Deutschland ein Erfrischungsgetränk aus den USA durchsetzte. Doch Coca-Cola ließ sich die Offensive einiges kosten. Der Konzern war in der Nazi-Zeit einer der führenden Sponsoren von Sportveranstaltungen. Er trat etwa als offizieller Sponsor der Olympischen Spiele 1936 in Berlin auf – die Veranstaltung wurde von Hitler und den Nazis als Propagandaforum missbraucht. Lang wurde gemutmaßt, Fanta sei eine Erfindung der Nazis gewesen. Für das Getränk habe man Orangen vom faschistischen Mussolini-Italien nach Deutschland exportiert. Das stimmt aber nicht. Faktum ist, dass Coca-Cola während des Zweiten Weltkriegs in Deutschland ein Problem bekam. Zu Kriegsbeginn 1939 hatte die Deutschland-Tochter bereits 50 Fabriken. Doch kriegsbedingt gingen die Rohstoffe für die Herstellung von Cola aus. Hitler wollte Deutschland unabhängig von ausländischen Exporten machen.

Wegen diverser Einfuhrbeschränkungen durfte die Deutschland-Tochter die notwendigen Zutaten für Cola nicht mehr importieren. Um den Weiterbestand der Deutschland-Tochter zu sichern, ließ der damalige Deutschland-Chef von Coca-Cola, Max Keith, 1940 im Labor ein eigenes Getränk entwickeln. Es bestand vorwiegend aus Apfelfruchtfleisch und Molke.

Der Name Fanta leitet sich von „fantastisch“ ab. Einem Gerücht zufolge soll der Mutterkonzern zunächst nicht vom Erfolg überzeugt gewesen sein. Die Amerikaner sollen geglaubt haben, dass man das Produkt nur mit viel Fantasie absetzen könne. Demnach würde der Name Fanta für Fantasie stehen. 1942 wurde in Deutschland die Produktion von Cola eingestellt und durch Fanta ersetzt. Nach Kriegsende wurde Fanta weltweit vermarktet. Das Getränk ist heute in verschiedenen Geschmacksrichtungen erhältlich und gehört zu Coca-Colas wichtigsten Marken.

Viele deutsche und österreichische Firmen haben ihre Geschäfte in der Nazi-Zeit mittlerweile aufarbeiten lassen – nun tun dies auch immer mehr US-Konzerne. Der Filmhersteller Kodak gab zu, dass die Deutschland-Tochter während der NS-Zeit Zwangsarbeiter eingesetzt hat. Ein aktiver Unterstützer des Nazi-Regimes war der US-Konzern Ford. Adolf Hitler bewunderte den Autotycoon Henry Ford, der ein bekennender Antisemit war. Hitler ließ Henry Ford zu dessen 75. Geburtstag mit einem Orden auszeichnen. Während des Krieges unterstützte der US-Konzern Ford das Hitler-Regime mit Tauschhandelgeschäften.

Vorbildlich bei der Aufarbeitung der Vergangenheit ist der US-Autohersteller GM, der dafür den bereits verstorbenen Historiker Ashby Turner engagierte. Demnach besetzte GM bei der Deutschland-Tochter Opel führende Stellen mit Nazis. Jüdische Mitarbeiter wurden entlassen und teilweise in die USA versetzt. Laut Turner soll der damalige GM-Chef, Alfred Sloan, gesagt haben: „Ein internationaler Konzern sollte seine Unternehmungen auf rein geschäftlicher Ebene betreiben, ohne Rücksicht auf die politischen Ansichten seines Managements oder der Staaten, in denen er tätig ist.“ Opel produzierte in Deutschland Lkw – größter Abnehmer war die Wehrmacht. Zu Kriegsbeginn wurde Opel von den Nazis in die Rüstungsindustrie eingegliedert. GM protestierte nicht. Historiker Turner schrieb dazu: „Die GM-Führung verhielt sich, wie sich die meisten in derart schwierigen Situationen verhalten: Man tat nichts und hoffte, dass das Opel-Hauptwerk auf irgendeine Weise bald wieder in die Lage käme, die Produktion und den Vertrieb von Automobilen wieder aufnehmen zu können.“

Fanta

Fanta ist ein Getränk aus dem Hause Coca-Cola. Der Name leitet sich von dem Wort „fantastisch“ ab. Die Limonade wurde während des Zweiten Weltkriegs in Deutschland erfunden. Zunächst bestand das Getränk aus Molke und Apfelfruchtfleisch. Fanta wird heuer 75 Jahre alt.
Sammlung Rauch/Interfoto/picturedesk.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.03.2015)

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