Ökonomie: Die heikle Frage des richtigen Zinses

Wie groß man künftige Schäden durch den Klimawandel einschätzt, hängt vom Zinssatz ab, mit dem man abzinst. Für Stern ist ein hoher Satz ethisch verwerflich.

Wien. Jeder Betriebswirt kennt das Thema aus dem ersten Semester: Bevor ein Unternehmer eine Maschine kauft, vergleicht er die Angebote mit einer Investitionsrechnung. Dabei stellt er den Kaufpreis den künftigen Erträgen gegenüber, die er durch die Investition erzielt. Die späteren Geldflüsse werden abgezinst, „diskontiert“. Die Idee dahinter: Um zu den Erträgen zu kommen, könnte er auch einen kleineren Betrag heute anlegen und verzinsen lassen. Das Geld von morgen ist also weniger wert als jenes von heute. Um den richtigen Zinssatz festzulegen, muss man nur den Finanzmarkt kennen und Entwicklungen voraussehen. In der Ökonomie des Klimawandels ist die Frage heikler. Das Team des Stern-Reports verwendete 2006 verschiedene Zinssätze, um den negativen Geldwert künftiger Schäden den heutigen Kosten von Maßnahmen gegen die Erderwärmung gegenüberzustellen. Im Schnitt rechneten die Forscher mit 1,4 Prozent – deutlich weniger, als Ökonomen üblicherweise ansetzen.

Später Geborene diskriminiert

Der Mainstream argumentierte bis dahin: Bessere Technologien machen es in Zukunft leichter, sich gegen Schäden zu schützen. Künftige Generationen haben einen höheren Lebensstandard, deshalb ist der Grenznutzen zusätzlichen Konsums für sie niedriger als für uns heute. Vor allem aber ziehen die Menschen generell den heutigen Konsum dem künftigen vor – was sich im Marktzins ausdrückt.

Aber gerade diese „reine Zeitpräferenz“ dürfe man beim Klimawandel aus ethischen Gründen nicht ansetzen, meinte Stern. Denn es gehe ja nicht um ein und dieselben Konsumenten in der Zeit, sondern um künftige Generationen. Wer hier diskontiert, hält offenbar später Geborene für weniger wertvoll, was nicht akzeptabel ist. Zumal auch die übliche Annahme, dass der Wohlstand auf längere Sicht wächst, durch den Klimawandel infrage gestellt wird. Wenn seine künftigen Opfer ärmer dran sind, ist jede zusätzliche Geldeinheit für sie mehr wert als für uns heute – was das übliche Kalkül auf den Kopf stellt. (gau)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2015)

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