Fed: Yellen in schräger Kurvenlage

U.S. Federal Reserve Chair Yellen speaks at a news conference following FOMC meeting in Washington
U.S. Federal Reserve Chair Yellen speaks at a news conference following FOMC meeting in WashingtonREUTERS
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Die US-Notenbank Fed erhöht heuer erstmals seit fast einem Jahrzehnt den Leitzinssatz. Doch wird es ihr gelingen, die Zinsen langfristig auf ein gesundes Niveau zu heben?

Wer jemals am Ferienstrand sein Handtuch ausgeschüttelt hat, kennt den Effekt: Man reißt es kurz nach oben, und einer Welle gleich schlägt das Ende des Tuches scharf nach oben. Auf diese Weise kann man sich bildlich vor Augen führen, wie Notenbanken die Wirtschaft steuern. Jedes Mal, wenn sie ihre Leitzinssätze verändern, beeinflussen sie damit die Verzinsung von Anleihen sämtlicher Laufzeiten. Fädelt man sämtliche Zinssätze in einer Reihe auf, erhält man die Zinskurve. In gesunden Volkswirtschaften steigt sie an. Das ist ein Zeichen für die Zuversicht der Banken und Investoren in langfristiges Wachstum.

Doch in den USA, Europa und Japan will und will sich die Zinskurve seit dem großen Finanzkrach vor fast sieben Jahren nicht so krümmen, wie es die Notenbanker gerne hätten. Zehnjährig laufende US-Staatsanleihen waren in der vergangenen Woche mit mickrigen 1,43 Prozent verzinst. Wer sein Geld der deutschen Regierung leiht, indem er jetzt Anleihen kauft, die im Jahr 2022 fällig werden, ist gewillt, Geld zu verlieren. Sämtliche deutsche Staatsanleihen bis hinauf zu den siebenjährig laufenden sind negativ verzinst.

Vor dieser Kulisse wird Janet Yellen, die Präsidentin des Federal Reserve System, irgendwann heuer eine Entscheidung von Weltbedeutung treffen. Erstmals seit dem Juni 2006 wird die Fed wieder ihren Leitzinssatz erhöhen. Doch die wesentliche Frage ist nicht, ob das im Juni oder im September geschieht. Sie lautet vielmehr: Kann Yellen die gesamte Zinskurve hochreißen und somit die langfristige wirtschaftliche Entwicklung der USA steuern?

Die Ausgangslage ist, auf den ersten Blick, grundlegend anders als vor neun Jahren. Damals raste die Weltkonjunktur, angetrieben vom starken Wachstum Chinas und der anderen Schwellenländer, im gestreckten Galopp dahin. Der US-Immobilienmarkt brodelte vor Nachfrage, und die Banken erfüllten, wie sich zwei Jahre später auf fatale Weise erwies, so gut wie jedem seinen Wunsch nach dem Eigenheim, ohne Rücksicht auf seine Bonität. 5,25 Prozent betrug der Leitzins der Fed damals. 0,25 Prozent sind es heute.

Doch die Zinskurve war damals wie heute viel flacher, als sie es historisch gesehen hätte sein sollen. Sie war es auch schon in den Boomjahren zuvor gewesen. Von 2004 bis 2006 hatte die Fed den Zinssatz 17 Mal erhöht. Die langfristigen Zinssätze bewegten sich jedoch nicht. Alan Greenspan, der im Jänner 2006 den Chefsessel der Fed verließ, nannte dies ein „conundrum“, ein Rätsel.

Wenn einer der besten Kenner der US-Geldpolitik mit seinem Latein am Ende ist, verheißt das für die Welt nichts Gutes. Denn eine steile Zinskurve deutet auf eine langfristig gesunde Konjunktur hin. Sie drückt aus, dass die Investoren höhere Zinsen für die von ihnen gekauften Anleihen verlangen, weil sie erwarten, dass eine in Folge höheren Wirtschaftswachstums steigende Inflation ihre nominellen Zinserträge kürzt.

Doch die Preise steigen weder in den USA noch in Europa in einer Weise, die ein Anspringen der Konjunktur andeuten würde. Im Jänner betrug die Inflation in den USA zum Beispiel minus 0,2 Prozent. Rechnet man die typischerweise stark schwankenden Lebensmittel- und Energiepreise heraus, kommt man auf eine Kerninflationsrate von 1,3 Prozent. Das ist weit von jenen zwei Prozent entfernt, die nach traditioneller Ansicht der Fed eine stabile Konjunktur indizieren und eine Leitzinserhöhung erlauben.

Doch warum gerade zwei Prozent Inflation? Geschichtlich betrachtet entwickelte sich die US-Konjunktur (und auch jene des Euroraumes) stets dann am stabilsten, wenn die Fed einen realen Leitzinssatz von zwei Prozent festsetzen konnte, rief Greg Ip am Donnerstag im „Wall Street Journal“ in Erinnerung. Dieser Zinssatz lässt den Motor brummen, ohne ungesunde Preisexzesse anzufachen. Eine Inflationsrate von zwei Prozent erlaubt in diesem idealen Szenario folglich einen nominalen Leitzinssatz von vier Prozent.

Diese vier Prozent bemessen, bildlich gesprochen, die Feuerkraft der Fed im Kampf gegen Rezessionen. Wenn die Konjunktur erschlafft, kann sie folglich ihren Zinssatz um vier Prozentpunkte bis auf den Nullpunkt drücken, um der Wirtschaft mit billigeren Krediten und Anleihen neuen Schwung zu verleihen. Beträgt die Inflation dann, wie erhofft, zwei Prozent, bedeutet ein nominaler Leitzinssatz somit, dass Banken real zwei Prozent Zinsen dafür bekommen, wenn sie Geld bei der Fed ausleihen und dem Wirtschaftskreislauf zuführen.

Ob dies so einfach zu erreichen sein wird, ist fraglich. Denn der wirtschaftliche Ausblick der Fed hat sich eingetrübt. Ihre Prognostiker erwarten für heuer und 2016 nur mehr bestenfalls 2,7 Prozent Wirtschaftswachstum statt wie bisher drei Prozent. Ein Hauptgrund dafür ist das Erstarken des Dollars. Er macht die Waren und Dienstleistungen von US-Exporteuren vor allem im Wettbewerb mit ihren europäischen Konkurrenten teurer.

Die Katze beißt sich in den Schwanz. All diese Umstände lassen es also fraglich erscheinen, dass die Fed besonders kraftvoll an der Zinskurve hantieren wird. Und hier beißt sich die Katze in den Schwanz: Solange die langfristigen Zinsen nicht wieder zu steigen beginnen, können die Banken ihre Kernaufgabe, nämlich Kredite an Verbraucher und Unternehmen zu vergeben, weiterhin nicht in herkömmlicher Weise erfüllen. Ihr Geschäftsmodell beruht schließlich darauf, kurzfristig billig Geld aufzunehmen, um es mit höherer Verzinsung langfristig zu verleihen. Stattdessen haben Amerikas Banken bereits kurz nach dem Platzen der Immobilienblase begonnen, auf der Jagd nach höheren Renditen neue riskante finanzielle Schieflagen zu erzeugen. Die jüngste Mode: Autokredite an Arme und Geringverdiener, mit bis zu achtjährigen Laufzeiten, in komplexe Wertpapiere umgepackt und an den Märkten platziert.

Zahlen

0,25 Prozent: So niedrig ist derzeit der Leitzinssatz der US-Notenbank Fed.

2006 war das letzte Jahr, in dem die Fed ihren Leitzinssatz erhöht hat.

2 Prozent ist die US-Kerninflationsrate, die nach langjähriger Ansicht der Fed eine Zinssatzerhöhung rechtfertigt.

1,3 Prozent betrug die jüngste Kerninflationsrate in den USA – ohne Lebensmittel- und Energiekosten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2015)

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