Zweites Standbein: Internethändler öffnen "richtige" Geschäfte

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Nur einer von zehn Online-Händlern wird laut IHF-Handelsexperten bis 2020 überleben. Einige Unternehmen suchen mit realen Geschäfte einen Ausweg.

In den vergangenen Jahre schossen die reinen Online-Shops wie Pilze aus der Erde. Die Wachstumsraten im Geschäft über das Internet legen zwar nach wie vor zu, dennoch eröffnen immer mehr Online-Händler Filialen in der realen Welt. Ein Geschäftsbetreiber, der zusätzlich einen Online-Shop eröffnet, ist längst keine Seltenheit mehr.

Was unvorstellbar klingt, könnte schon bald Realität werden: Klassische Internethändler wagen sich derzeit verstärkt in die nicht-virtuelle Welt - und eröffnen erste stationäre Geschäfte. Jüngstes Beispiel: Der Internetriese Amazon, der angeblich über eine Filiale in New York nachdenkt. Auch in Deutschland lassen sich derzeit reine Online-Händler in der Fußgängerzone nieder.

Platzhirsche machen es Konkurrenz schwer

"Es ist tatsächlich so, dass immer mehr Onliner sich in die stationäre Welt begeben", sagt Eva Stüber vom Institut für Handelsforschung (IFH). Online kann man datenbasiert etwas über den Kunden lernen, aber das Persönliche geht besser im Geschäft."

Nach IFH-Angaben gibt es in Deutschland derzeit 40.000 reine Online-Händler - nach Prognosen der Experten dürften 90 Prozent von ihnen allerdings nicht bis 2020 überleben. Ein Grund ist demnach die Übermacht von Internetriesen wie Amazon und Zalando. Grund genug, in der nicht-virtuellen Welt aktiv zu werden - auch wenn die Platzhirsche aus dem Netz selbst dorthin drängen.

Geschäft als Showroom

Ein Beispiel ist der Elektronikhändler Cyberport, der auch in Österreich stationär präsent ist. Aus den Fußgängerzonen fast nicht mehr wegzudenken ist indes der Online-Müsliversender Mymuesli, der das erste Geschäft 2009 startete und Ende dieses Jahres bereits auf 25 Filialen kommen will.  "Viele Menschen möchten Produkte, gerade Lebensmittel, ja erstmal anfassen und eventuell probieren vor einem Kauf", sagt Mymuesli-Mitgründer Max Wittrock. "Das können wir in den Läden bieten und auch beraten." Zugleich rufe das Logo in der Innenstadt die Marke ins Bewusstsein. Wittrock: "Es schadet der Bekanntheit sicher nicht, wenn viele Menschen jeden Tag an Mymuesli-Läden vorbeilaufen." Auch auf der Wiener Mariahilfer Straße gibt es seit kurzem ein Mymuesli-Geschäft, in Salzburg ist eines in der Getreidegasse geplant.

Fachleute sehen stationäre Geschäfte daher auch als eine Art Ausstellungsfläche für das Unternehmen. "Ich glaube, dass ein stationäres Handelsgeschäft einen Showroom-Charakter hat und auch eine Markenpräsenz vermittelt", sagt Thomas Harms, Handelsexperte bei EY (Ernst & Young). Vor allem für Modehändler könne sich das lohnen - auch um künftig unnötige Retouren zu vermeiden.

Zalando mit Outlet für Abverkäufe

Der Online-Händler Zalando ist ebenfalls in der echten Welt angekommen - und betreibt in Berlin und Frankfurt Outlet-Stores. Über den Verkauf reduzierter Ware hinaus sind einer Sprecherin zufolge allerdings keine Filialen geplant. "Wir sind vom Herzen her auf jeden Fall Online-Händler und das ist auch unser Fokus", sagt sie. Die Outlets seien aber ein "guter Berührungspunkt" zu den Kunden.

Medienberichten zufolge sollen Kunden in der möglichen Amazon-Filiale etwa online bestellte Waren abholen und nicht mehr erwünschte Artikel zurückgeben können. Außerdem solle es dort in einer Art Mini-Lagerhaus ein eingeschränktes Sortiment von Waren zur Zustellung am selben Tag innerhalb New Yorks geben.

Bindung durch langfristige Mietverträge

Muss nun aber jeder Internet-Anbieter raus ins wahre Leben? "Ich glaube nicht, dass jeder Online-Händler ein stationäres Geschäft braucht", sagt EY-Branchenkenner Harms. IFH-Expertin Stüber weist auf die Fallstricke hin: "Allein schon die Standortwahl ist ein Thema, das für Onliner bisher nicht relevant war. Hinzu kommen lang laufende Mietverträge oder die Frage nach der Ladengestaltung."

Fallstricke gebe es aber auch im Netz, hält man bei Mymuesli dagegen: "Immerhin kann offline kein Server abstürzen und man muss nicht auf Hunderte verschiedene Betriebssysteme achten", sagt Wittrock. "Alle Kunden kommen durch die gleiche Eingangstür in den Laden."

(APA/dpa)

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