Die EU hat an der Uhr gedreht

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SymbolbildClemens Fabry / Die Presse
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Seit Jahren verordnet Brüssel die Sommerzeit und schadet damit mehr, als sie nützt. Heuer läuft die Verordnung aus.

In der Nacht auf Sonntag verlieren wir eine Stunde Schlaf. Wie jedes Jahr im März werden die Uhren zwecks Erreichung der Sommerzeit um eine Stunde vorgestellt. Klingt banal, beschäftigt aber etliche Politiker in Brüssel. Denn seit Ende 1994 regelt die EU, wann wir unsere biologische Uhr überstimmen müssen. Zumindest bis heuer. 2015 läuft die entsprechende Verordnung aus, und einige Politiker der Volkspartei machen Druck, diese nicht zu verlängern. Nicht nur der Schlaf der Menschen werde gestört, nein, auch die Kühe der Bauern würden nach der Zeitumstellung weniger Milch geben, so die Begründung.

Das ist gar nicht so skurril, wie es auf den ersten Blick anmutet. Tatsächlich sind die ökonomischen Kosten der jährlichen Zeitumstellung beachtlich. Schon 1784 empfahl Benjamin Franklin den staatlichen Eingriff in die Zeit, um den abendlichen Kerzenverbrauch zu dämpfen. An der Argumentation hat sich bis heute kaum etwas geändert. Nur ist die These längst widerlegt. „Im Hinblick auf den Energieverbrauch bietet die Sommerzeit keine Vorteile“, bestätigt etwa die deutsche Bundesregierung. Was abends an Strom gespart wird, werde morgens mehr geheizt. Zudem kommen Flug- und Bahnverkehr außer Takt. Meist dauert es einen Tag, bis alles wieder reibungslos läuft. Auch andere Unternehmen verlieren. Ihre Mitarbeiter seien am Montag nach der Zeitumstellung tendenziell unausgeschlafen und unproduktiver, schreiben die Ökonomen David Wagner und Christopher Barnes. Ein Fünftel der Arbeitszeit verbrächten diese dann im sogenannten „cyber loaf“, einer Art digitalen Schwebezustands, in dem sinnlos im Internet herumgescrollt wird. Von den gesundheitlichen Folgen ganz zu schweigen. Einer Studie der deutschen Krankenkasse DAK zufolge steigt das Herzinfarktrisiko in den drei Tagen nach der Sommerzeit um ein Viertel.

Die Abschaffung der Zeitumstellung sei also notwendig, auch zwecks „Entrümpelung des Vorschriftendschungels“, sagen EU-Politiker. Angesichts der wachsenden Kluft zwischen Europa und den USA in Sachen Wettbewerbsfähigkeit ist das ein ganz guter Gedanke. Die USA mögen es Firmen leichter machen, zu produzieren und Jobs zu schaffen. Aber wir würden ihnen die Zeitumstellung ersparen. Immerhin. Wenn wir uns dann noch auf ein Leben in der Sommerzeit einigen, sollte die Stimmung in Europa doch steigen.

E-Mails an: matthias.auer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2015)

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