Was passiert, wenn Griechenland nicht mehr zahlen kann?

A Greek national flag flutters as the parliament building is seen in the background in Athens
A Greek national flag flutters as the parliament building is seen in the background in Athens (c) REUTERS
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Analyse. Eine Zahlungsunfähigkeit Griechenlands führt nicht zwangsläufig zum Austritt aus der Eurozone – aber auf jeden Fall zur Einführung von Kapitalverkehrskontrollen.

Brüssel. Der Spielraum für Athen wird immer enger. Noch vor wenigen Wochen gingen Experten davon aus, dass sich die griechische Regierung bis Ende April (so die Schätzung der EZB) bzw. Anfang/Mitte Mai (IWF) finanziell über Wasser halten kann. Nach den politischen Volten der vergangenen Wochen, gepaart mit mangelhafter Kooperationsbereitschaft in Athen, ist die Zeit knapp geworden. Bereits nächste Woche könnte den Griechen das Geld ausgehen – mit Monatsende müssen Pensionen und Beamtengehälter von geschätzt 1,7 Mrd. Euro überwiesen werden. Sollte die Links-rechts-Regierung von Premier Alexis Tsipras diese Hürde nehmen, steht die nächste am 9. April bevor: Dann nämlich muss Griechenland 450 Mio. Euro an den IWF überweisen, wenig später steht die Tilgung von Anleihen im Gesamtumfang von gut zwei Mrd. Euro an. Und im Mai belaufen sich diese Zahlungsverpflichtungen auf insgesamt knapp vier Milliarden Euro, kalkulieren Analysten von Credit Suisse.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Athen einer Zahlungsverpflichtung nicht nachkommt, steigt mit jedem Tag ohne Einigung mit den Geldgebern. Spätestens am Montag soll Tsipras eine konkrete und verbindliche Liste von beabsichtigten Reformen vorlegen, die Grundvoraussetzung für die Auszahlung der noch ausständigen Kredittranche von 7,2 Mrd. Euro ist. Mujtaba Rahman von der Ideenfabrik Eurasia Group erwartet, dass auch die neue Liste nicht ausreichen wird – weil einerseits die Zahlen in Ermangelung einer Kooperationsbereitschaft mit den Geldgebern nicht überprüfbar sind und anderseits die Griechen so viel Porzellan zerschlagen haben, dass sie bei den Euro-Finanzministern momentan nicht als vertrauenswürdig gelten.

Doch was passiert, wenn Athen den IWF-Kredit nicht bedienen kann? Für Jens Weidmann, den Gouverneur der deutschen Bundesbank, wäre das Land dann insolvent – was „gravierende und alles andere als empfehlenswerte“ Folgen hätte, wie er in einem Interview sagte. Zumindest der IWF dürfte es nicht so dramatisch sehen. Experten gehen davon aus, dass der Fonds einen einmaligen Zahlungsausfall nicht als Insolvenzerklärung interpretieren wird – sofern Athen und die Geldgeber wieder glaubwürdig miteinander verhandeln. Problematisch wird die Sache erst dann, wenn die Griechen gegenüber privaten Gläubigern (also Inhabern von Anleihen) säumig werden. Das Problem: Nachdem vor allem die griechischen Banken Anleihen halten, müsste die EZB erstens die Kreditwürdigkeit des griechischen Staats und zweitens die Solvenz der Institute neu evaluieren – was zur Folge hätte, dass Frankfurt den Geldhahn für Griechenland definitiv zudreht. Derzeit hat die griechische Zentralbank die Erlaubnis, die Institute des Landes über das Notprogramm ELA mit Liquidität zu versorgen.

Doch auch wenn dieser Ernstfall eintreten sollte, wäre Griechenland nicht automatisch dazu gezwungen, eine eigene Währung einzuführen. Unumgänglich wäre aber die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen und strikten Limits bei Finanztransaktionen und Geldabhebungen – analog zu der Vorgangsweise auf Zypern 2013. Der Grund: Die Nachfrage nach Euro in Griechenland (etwa von Bankkunden, die ihr Erspartes in Sicherheit bringen wollen) würde die im griechischen Finanzsystem vorhandene Geldmenge überschreiten.

Knapp 60 Mrd. Euro auf Girokonten

Die gute Nachricht: Die betroffenen Volumina dürften überschaubar sein. Per Ende 2014 beliefen sich die privaten Einlagen bei griechischen Instituten auf knapp 170 Mrd. Euro, allerdings lagen davon nur 68 Mrd. Euro auf Girokonten, der Rest war längerfristig gebunden – und damit sicher vor panikartigen Abhebungen. Nachdem man davon ausgehen kann, dass seit Jahresbeginn das Tagesgeld weniger geworden ist (eine realistische aktuelle Schätzung lautet knapp 60 Mrd. Euro), wären die Folgen eines Runs auf griechische Banken überschaubar – vorausgesetzt, die griechische Regierung würde den Ernst der Lage erkennen und entsprechend ernsthaft um ein neues Hilfsprogramm ersuchen. Damit wäre die EZB wieder in der Lage, Griechenland mit Liquidität zu versorgen. Und die Gefahr einer unkontrollierten Staatspleite samt Grexit wäre – vorerst – gebannt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2015)

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