Kanada: Der ungenutzte Schatz der Wälder

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Mit dem „Green Energy Act“ hat die kanadische Regierung erstmals ein bundesweites Ökostromgesetz erlassen. Die noch junge Branche Alternativenergie bietet Österreich neue Exportchancen.

Wien. Passiert man die Grenze zwischen den USA und Kanada in Richtung Norden, gewinnt die Natur bald den Kampf gegen die Zivilisation. Neun von zehn Kanadier leben nicht weiter als 100 Kilometer vom südlichen Nachbarn entfernt. Der Rest des 33-Mio.-Einwohner-Landes ist nur sehr dünn besiedelt.

Vor allem Inuit und indianische Ureinwohner sind es, die in den nördlichen Regionen, wie etwa den Northwest-Territories, in Kleinsiedlungen zusammenleben. Strom gibt es in den meisten dieser Siedlungen nur aus dem Generator. Der dafür nötige Diesel wird eingeflogen, über hunderte Kilometer aus dem Süden des riesigen Landes.

Dabei verfügt Kanada neben Brasilien und Russland über die größten Biomassereserven der Welt, sagt Robert Luck, seit sechs Monaten Österreichs Handelsdelegierter in Toronto, im Gespräch mit der „Presse“. Jeder zehnte Baum weltweit steht in den kanadischen Wäldern, die eine Fläche umspannen, die Österreich fast 50Mal fassen würde.

Doch selbst wenn die entsprechenden Biomasseanlagen vor Ort sind, sind sie oft kein Garant für Wärme. Bisher haben Kanadas Forstwirte die meisten Bäume einfach am Stück aus dem Wald gezogen. Statt einer nachhaltigen Forstwirtschaft regiert in Kanada noch der „Kahlschlag“, beschreibt Luck. An Aufforstung mit Jungwald oder die Verarbeitung des Holzes zu Pellets werde selten gedacht.

Steirische Pelletsheizungen

Erst vor wenigen Monaten habe ein „Umdenkprozess eingesetzt“. Mit dem „Green Energy Act“ hat die kanadische Regierung erstmals ein bundesweites Ökostromgesetz erlassen. Davon sollen nicht zuletzt österreichische Betriebe profitieren.

Denn schon bisher ließ sich ihr Wissensvorsprung in Kanada relativ gut verkaufen. Einige Schulen und Gärtnereien in Yellowknife, der Provinzhauptstadt der Northwest-Territories, heizen etwa bereits mit Pelletsheizungen des steirischen Maschinenbauer Binder.

Noch machen die Exporte im Bereich der „grünen Energie“ allerdings einen sehr kleinen Teil des heimischen Handelsvolumens mit Kanada aus. Angesichts der weltweiten Wirtschaftskrise muss daraus aber mehr als eine Nische werden, erklärt Luck. Denn in den klassischen Exportbranchen Österreichs geht die Nachfrage derzeit drastisch zurück.

Kanada erlebt den heftigsten Wirtschaftseinbruch seit 18 Jahren. Für das erste Quartal rechnet die Bank of Canada mit einem Konjunktureinbruch um 4,8 Prozent. Mehr als acht Prozent der Kanadier sind arbeitslos gemeldet, die Zahl der Privatkonkurse hat sich alleine im Dezember mehr als verdoppelt.

Auch die Ölindustrie, bisher verlässlicher Antriebsmotor der kanadischen Wirtschaft, kommt angesichts niedriger Rohölpreise ins Stocken. Vor allem für den Abbau der Ölsandvorkommen in Alberta finden sich kaum noch Investoren. Am schlimmsten trifft es jedoch die Autozulieferindustrie. Und damit auch die heimischen Exporteure.

Autozulieferer am Boden

Knapp die Hälfte der österreichischen Ausfuhren landeten im Vorjahr im Auto-Cluster in der Region Ontario. Hat sich das Exportvolumen von 1997 bis 2007 auf 884Mrd. Euro verdoppeln können, so brach es im Vorjahr um 3,2Prozent ein. Allein im November gab es ein Minus von achtundzwanzig Prozent. Ein Trend, der sich heuer fortsetzen könnte, meint Luck.

Denn gemeinsam mit den amerikanischen Autoriesen Chrysler und General Motors liegt auch Kanadas Zulieferindustrie rund um Magna International am Boden. Damit wird auch das Interesse an Lieferungen aus Österreich in diesem Sektor weiter sinken. Vierzig Prozent der Exporte im Bereich der Autoindustrie gingen direkt an Magna.

Die Zukunft der US-Autobauer ist trotz Milliardenkredite aus den USA und Kanada nicht klar. Umso mehr Augenmerk sollten Österreichs Unternehmen auf einstige Nischen wie die Alternativenergie legen, sagt Luck. Hier sei auch in Zukunft gutes Wachstum sicher.

Auf einen Blick

Kanada verfügt über riesige Biomassereserven. Von dem neuen Ökostromgesetz könnten auch österreichische Firmen profitieren, meint der Handelsdelegierte Robert Luck.

Die Exportchance könnte zum Teil jene Lücke wettmachen, die sich derzeit in der Autozulieferindustrie auftut. 2008 ging knapp die Hälfte der Exporte nach Kanada in die Autoindustrie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2009)

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