Airbus am Boden: Militär-Transporter als Milliardenfiasko

A400M
A400M (c) airbus
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Nach dem Riesenjet A380 wird der A400M zum unkalkulierbaren Risiko. Boeing hat auch Probleme. Die Flugzeugbestellungen dürften heuer auf ein Drittel des Niveaus der vergangenen Jahre sinken.

Sevilla, 26. Juni 2008: Die Spannung der tausenden Gäste, darunter auch des spanischen Königs Juan-Carlos, steigt. Langsam öffnen sich die Tore des Hangars des spanischen Airbus-Werks, und „er“ kommt. „Er“ – das ist der Militärtransporter A400M.

Majestätisch rollt die 45 Meter lange schwarz-graue Maschine mit den vier Propellertriebwerken ins Sonnenlicht. Das war's aber auch schon. Wenig später wird das Ungetüm wieder in die Halle geschoben. Geflogen ist der Transporter nämlich nicht. Bis heute nicht. Der Jungfernflug ist nicht einmal 2009 realistisch – die Auslieferung der ersten Flugzeuge ist auf unbestimmte Zeit verschoben. Im schlimmsten Fall bleibt der Transporter für immer am Boden – als Modell.

Was nach dem Verkaufsschlager A320 und dem Riesenjet A380 als nächstes Prestigeprojekt von Airbus und dessen Mutterkonzern EADS gedacht war, entwickelt sich zum Fiasko für den europäischen Luftfahrt- und Rüstungskonzern. Das 20 Mrd. Euro schwere Vorhaben, das größte europäische Rüstungsprojekt, für das EADS und Airbus verantwortlich sind, droht das Luftfahrtkonsortium weit ins Abseits zu katapultieren – zur Freude des US-Konzerns Boeing, als dessen Gegengewicht es einst von Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Spanien gegründet worden war.

Bis vor Kurzem hatte Airbus die Nase vorn, auch das Vorjahr lief nach Plan. Jetzt bekommen beide Produzenten die Finanz- und Wirtschaftskrise gleichermaßen stark zu spüren. Die Flugzeugbestellungen dürften heuer auf ein Drittel des Niveaus der vergangenen Jahre sinken. Boeing hat mit seinem geplanten Passagierjet Dreamliner 787 auch einige Probleme am Hals. Aber das sind „Peanuts“ im Vergleich zu den Schwierigkeiten, mit denen Airbus konfrontiert ist. Erst 2008 konnte sich die EADS von den Milliardenlöchern befreien, die die Produktionsprobleme beim A380 in die Bilanzen 2006 und 2007 rissen.

Der Gewinnpolster von 1,6 Mrd. Euro dürfte allerdings nicht annähernd ausreichen, um die Lücken zu stopfen, die der A400M reißt. Sollten die sieben Bestellernationen Deutschland, Frankreich, Belgien, Luxemburg, Großbritannien, Spanien und Türkei tatsächlich aus dem Programm aussteigen – was sie laut Vertrag können und wie jüngst die Briten schon laut angedacht haben –, dann muss EADS Anzahlungen von 5,7 Mrd. Euro sofort retournieren. Die bisherigen Verzögerungen kosteten schon 2,2 Mrd. Euro an Rückstellungen – von saftigen Strafzahlungen ganz zu schweigen.

Probleme mit den Triebwerken

Drei bis vier Jahre Verspätung: Dieser Stand von Mitte März ist selbst für eine an Verzögerungen gewöhnte Branche eine neue Dimension. Jetzt räumt Airbus-Chef Thomas Enders bereits ein mögliches Scheitern des Projekts ein. „Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“, sagte er kürzlich. Mit einem Wort: Der Militärtransporter hängt total in der Luft. Probleme gibt es vor allem mit den Turboprop-Triebwerken und deren Steuerung. Außerdem ist das Lastentier der Lüfte noch zu schwer, gleichzeitig aber zu wenig stabil, um schwere Kaliber wie Panzer und Hubschrauber tatsächlich befördern zu können.

Die Militärs drängen auf eine rasche Entscheidung: Sie haben EADS eine Galgenfrist eingeräumt und den ursprünglich am 31. März endenden Ausstiegszeitraum um drei Monate verlängert. Der 2003 geschlossene Vertrag enthalte einen unrealistischen Zeitplan, lautet die späte Einsicht bei EADS. Man will bessere Vertragsbedingungen herausschinden. Frankreich hat Konzessionen zugesagt und steht – noch – zu dem Projekt.

Bis zum 1. Juli wollen die Länder, die 180 Maschinen geordert haben, aber nicht warten. Das deutsche Verteidigungsministerium, mit 60 Maschinen größter Besteller, verlangt schon Mitte April „Erkenntnisse“.

Wie auch immer die aussehen werden, ein Totalausstieg wäre für EADS und Airbus nicht nur ein finanzieller Alptraum. An dem Projekt hängen auch tausende Arbeitsplätze. Europaweit arbeiten 7000 Menschen (inklusive der Zuliefererfirmen) an dem Militärtransporter.

Blamage für Europas Militärs

Und schließlich geht es auch ums Image. Durch das Debakel mit dem A380 (siehe nebenstehenden Artikel) hat der Flugzeugbauer ohnehin tiefe Kratzer in sein makelloses Bild bekommen. Großkunden wurden verärgert, tausende Mitarbeiter verloren im Zuge eines massiven Restrukturierungsprogrammes ihren Arbeitsplatz.

Das Fiasko mit dem Transporter hat freilich auch eine politische Dimension. Paris und Berlin wollen den veralteten „Transall“, dessen Betrieb immer teurer wird, endlich ausrangieren. Deshalb haben die beiden EU-Schwergewichte den A400M zum „Markstein für eine neue europäische Militärstrategie“ hochstilisiert. Wenn der Transporter nicht abhebt, bliebe auch das ambitionierteste militärische Luftfahrtprogramm Europas am Boden.

Auf einen Blick

Der Militärtransporter A400Mvon Airbus soll schwerste Lasten bis 37 Tonnen wie Panzer und Hubschrauber transportieren und dennoch eine Höchstgeschwindigkeit von 750 Stundenkilometer erreichen.

Produktionsprobleme verzögern das Projekt um Jahre. Airbus droht nach dem A380 ein weiteres Milliardenfiasko, wenn die sieben Bestellernationen aussteigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2009)

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