Athen holt sich Rat für Euro-Austritt

Yanis Varoufakis
Yanis Varoufakis(c) Bloomberg (Jasper Juinen)
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Wirtschaftsminister Giorgos Stathakis erwartet eine Einigung über Reformen und weitere Hilfen für das finanzschwache Euro-Mitglied erst nach Ostern.

Brüssel/Athen. Was ist wahr und was ein Aprilscherz? Diese Frage drängte sich angesichts der Meldungen auf, die Brüssel am Mittwoch aus Athen erreichten. In der ersten war davon die Rede, dass der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis notfalls bereit sei, in seinem Land die virtuelle Währung Bitcoin einzuführen, sollten die Geldgeber Griechenlands bei ihren Reformforderungen bleiben. Die zweite Depesche wiederum besagte, dass derselbe Finanzminister Bernd Lucke, den Chef der Alternative für Deutschland (AfD), nach Athen eingeladen habe, damit der deutsche Euro-Gegner ihm sein Konzept für eine neue Drachme präsentiere.

Mitteilung der Redaktion

Wer Aprilscherze austeilt, muss sie auch einstecken können: Wir stehen also nicht an, zuzugeben, dass wir selbst auf einen solchen herreingefallen sind: Wie die AfD nun bekanntgab, war ihr Chef Bernd Lucke NICHT zu Gesprächen mit dem griechischen Finanzminister Finanzminister Yanis Varoufakis in Athen, um dort Möglichkeiten eines "sanften" Ausstiegs Griechenlands aus dem Euro zu beraten. Freilich haben wir die ursprüngliche Mitteleilung der AfD am Mittwoch nicht ungeprüft übernommen, sondern selbstverständlich bei der Partei telefonisch nachgefragt. Dort hat man uns das Treffen bestätigt.

Während Varoufakis per Twitter die Bitcoin-Meldung als Schmäh enttarnte, erwies sich der Vortrag von Lucke im Athener Finanzministerium als echt. Der AfD-Vorsitzende habe die Einladung zu Wochenbeginn erhalten und keine Sekunde gezögert, sie anzunehmen, sagte Parteisprecher Christian Lüth gestern zur „Presse“. Nähere Details zur Präsentation wurden nicht genannt, im Kern dreht sich Luckes Idee allerdings um die Einführung einer Parallelwährung, die einen „sanften“, stufenweisen Austritt Griechenlands aus der Eurozone ermöglichen soll.

Drohung an den IWF

Wie ist diese Einladung zu interpretieren angesichts der Tatsache, dass der griechische Regierungschef Alexis Tsipras erst vergangene Woche in Berlin weilte, um Bundeskanzlerin Angela Merkel (deren Partei CDU von der AfD am rechten Rand bedrängt wird) von der Notwendigkeit zu überzeugen, Griechenland, koste es, was es wolle, in der Eurozone zu halten? Hinzu kommt, dass man in Brüssel und Berlin auf die versprochene Liste mit detaillierten (und stichhaltigen) griechischen Reformvorhaben mittlerweile so hoffnungsfroh wartet wie die Landstreicher Wladimir und Estragon auf Godot im gleichnamigen Theaterstück von Samuel Beckett. Auch der jüngste Abgabetermin am Montag verstrich ohne Neuigkeiten, die berühmt-berüchtigte Liste sollte bei der gestrigen Telefonkonferenz der Finanzstaatssekretäre der Eurozone beraten werden.

Mit einer Einigung über Hilfszahlungen an Griechenland wurde nicht gerechnet, Wirtschaftsminister Giorgos Stathakis hoffte aber auf eine Einigung in der Woche nach Ostern – was wohl kein Zufall ist, denn just zur selben Zeit wird Tsipras in Moskau erwartet. Im Vorfeld seiner Visite bei Staatschef Wladimir Putin bezeichnete er die EU-Sanktionen wegen der russischen Intervention in der Ukraine als „sinnlos“ und die griechisch-russischen Beziehungen als „brüderlich“.

All diese Meldungen legen den Schluss nahe, dass die griechische Links-rechts-Regierung einen Nervenkrieg gegen die EU führt. Trifft diese Vermutung zu, dann hätten die griechischen Volten ein Ziel: die Zermürbung der Gläubiger Griechenlands, damit sie das Land ohne lästige Sparvorgaben weiter finanzieren – entweder im Rahmen eines neuen, dritten Hilfspakets, oder über den Umweg Europäische Zentralbank. Am Mittwoch drohte Innenminister Nikos Voutzis damit, eine am 9. April fällige Kreditrückzahlung in Höhe von 450 Mio. Euro an den IWF nicht pünktlich zu bezahlen – sollten bis dahin keine weiteren Gelder fließen. Tsipras und Varoufakis hatten zudem wiederholt gefordert, die EZB solle griechische Staatsanleihen wieder als Pfand akzeptieren. Frankfurt hält dieses Ansinnen für den Versuch, die (illegale) Finanzierung des griechischen Haushalts durch die Zentralbank durchzusetzen. Über die aktuelle Finanzlage Griechenlands kann man nur spekulieren – zu diversen Kreditrückzahlungen und der Tilgung von Anleihen kommen laufende Ausgaben für Pensionen und Sozialleistungen sowie die Beamtengehälter. Wenigstens einen Lichtblick gab es an der Finanzfront: Wie das griechische Online-Portal Macropolis meldete, zahlten die Griechen in den letzten Tagen knapp 150 Mio. Euro Steuerschulden zurück.

Suche nach Schuldigen für Sparpolitik

In der Regierungspartei Syriza wurden indes Pläne für eine parlamentarische Kommission gewälzt, vor dem sich die Verantwortlichen für die Sparpolitik seit 2009 – also Syrizas politische Gegner von Mitte-links und Mitte-rechts – verantworten sollen. Über die Einberufung eines entsprechenden Parlamentsausschusses werde kommende Woche abgestimmt, hieß es gestern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2015)

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