Muss Österreich griechische Reparationsforderungen fürchten?

Das Parlament in Athen
Das Parlament in AthenREUTERS
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Griechenland will von Deutschland Entschädigungen. Österreich könne nicht betroffen sein, da es kein Rechtsnachfolger Nazi-Deutschlands sei, meint ein Völkerrechts-Experte.

Griechische Politiker haben zuletzt des öfteren Reparationszahlungen von Deutschland wegen des Zweiten Weltkriegs gefordert. Könnte auch Österreich - im gängigen Geschichtsverständnis von 1938 bis 1945 Teil des „Dritten Reichs“ - davon betroffen sein? Nein, meint der Rechtsexperte Gerhard Hafner von der Universität Wien. Denn: „Österreich ist kein Rechtsnachfolger Nazi-Deutschlands. Österreich wurde vom Deutschen Reich im März 1938 völkerrechtswidrig okkupiert, sodass es seine Handlungsfähigkeit verlor, jedoch als Völkerrechtssubjekt weiter bestehen blieb", erklärte der Professor für Völkerrecht und Internationale Beziehungen  gegenüber der APA.

Bei den im Zuge des Schuldenstreits zwischen EU und Griechenland, in dem Deutschland eine besonders strenge Linie verfolgt, geäußerten Forderungen geht es um Entschädigungen für Kriegsverbrechen und -schäden sowie um die Tilgung von Ansprüchen aus einer Zwangsanleihe.

Österreich galt nicht als Feindstaat

„Im Jahre 1945 erlangte es seine Handlungsfähigkeit wieder, zuerst eingeschränkt durch die sogenannten Kontrollabkommen, später in vollem Umfang wiederhergestellt durch den Österreichischen Staatsvertrag von 1955“, erläuterte der Völkerrechts-Experte. „Dass Österreich als Staat nicht am Zweiten Weltkrieg beteiligt war, zeigt sich an der Bezeichnung dieses Vertrages als Staatsvertrag betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich, womit die Unabhängigkeit wiederhergestellt werden sollte.“

Des Weiteren habe Österreich nicht als Feindstaat im Sinne der Artikel 53 und 107 der Satzung der Vereinten Nationen gegolten. „Aus diesem Grund war Österreich weder Teil des Deutschen Reichs und noch kann es Rechtsnachfolger des Deutschen Reichs sein.“ Außerdem hätten die Siegermächte von Österreich keine Reparationen gefordert. Dies sei in Artikel 21 des Staatsvertrags ausdrücklich festgelegt: „Von Österreich werden keine Reparationen verlangt, die sich aus dem Bestehen eines Kriegszustandes in Europa nach dem 1. September 1939 ergeben.“

Österreicher federführend an Gräueln beteiligt

Auch wenn aus völkerrechtlicher Sicht Österreich nicht für die Gräuel des Zweiten Weltkriegs verantwortlich gemacht werden kann und daher auch keine Reparationsforderungen aus Griechenland fürchten muss, ist eines historisch belegt: Aus dem Gebiet Österreichs stammende Soldaten beteiligten sich federführend an den verbrecherischen Umtrieben des Nazi-Regimes in Griechenland. Der k.u.k.-Offizier und spätere Luftwaffen-General Alexander Löhr war etwa für die Bekämpfung der Partisanen auf dem Balkan und für die Juden-Deportation in Griechenland verantwortlich. Löhr wurde 1947 in Belgrad hingerichtet.

Der in Wels geborene Wirtschaftsfachmann Hermann Neubacher (1893 - 1960) wiederum war als Sonderbeauftragter des NS-Staates für die ökonomische Ausplünderung Griechenlands und den von Athen inkriminierten Zwangskredit der Notenbank 1944 verantwortlich.

Was wusste Waldheim?

Im Zuge der Affäre um die Wehrmachtsvergangenheit des verstorbenen Ex-Bundespräsidenten Kurt Waldheim (1918 - 2007) wurde vor allem von US-Medien über eine Mitwisserschaft oder gar Beteiligung bei Massakern an griechischen Zivilisten spekuliert. Allerdings wurde der Ex-UNO-Generalsekretär von diesen Vorwürfen in den 1980er-Jahren entlastet. Die im Zuge der Diskussionen eingesetzte Historiker-Kommission stellte fest: "Eine Mitwirkung an den Judendeportationen in Griechenland, die vor allem von März 1943 bis Mai 1943 stattgefunden haben, ist aus der Tatsache heraus auszuschließen, dass sich Waldheim von November 1942 bis Oktober 1943 nicht in der Nähe von Saloniki aufgehalten hat."

(APA)

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