Russlands Energieminister: „Es ist alles zu sehr politisiert“

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Moskaus Energiedialog mit der EU ist tot. Gazprom orientiert sich neu. Alexandr Nowak erklärt, warum es kracht und unsicher wird.

Die Presse: Es scheint, als ob Russlands Probleme mit dem EU-Energiesektor nur noch zunehmen anstatt gelöst zu werden...

Alexandr Nowak: Die Liste der ungelösten Fragen besteht tatsächlich schon seit zwei Jahren. Die Beziehungen mit Europa hinsichtlich des Energiedialogs befinden sich in einer Krise.

Gazprom steigt beim deutschen Versorger VNG aus. Ein Aktivatausch mit Wintershall ist geplatzt. South Stream auch. Geht Gazprom zunehmend aus Europa raus?

Die Einzelereignisse müssen nicht unbedingt miteinander zu tun haben. Stellenweise gehen wir raus, stellenweise rein. Gazprom hat viele Tochtergesellschaften in Europa. Ihre Schlüsse sind voreilig.

Sie scheinen künstlich zu beruhigen. Gazprom-Chef Miller sagt, das jahrzehntealte Modell der gegenseitigen Abhängigkeit gehe zu Ende. Das neue Modell der vielschichtigen Diversifizierung sei aber weniger zuverlässig. Stimmen Sie zu?

Ja. Europas Energiepolitik zielt auf Änderung der Regeln, die effizient funktionierten. Aber die neuen Regeln schreiben die Mechanismen der Kooperation nicht genau vor. Heute setzt man auf das vorhandene Flüssiggas (LNG) und nicht auf Langfristverträge. Aber was tun, wenn es morgen kein LNG gibt? Außerdem: Um große Mengen Gas zu liefern, muss man Förderkapazitäten entwickeln. Dafür braucht es aber Abnahmesicherheit.

Warum soll Diversifikation schlecht sein? Auch Gazprom reduzierte Abhängigkeiten, indem es etwa Nord Stream baute.

Das Problem ist: Das neue dritte EU-Energiepaket, das Förderunternehmen wie Gazprom untersagt, gleichzeitig exklusiver Pipeline-Betreiber zu sein, funktioniert nur auf dem EU-Binnenmarkt, wo ein Binnenprodukt dem Wettbewerb unterworfen werden muss. Aber will man ein Produkt aus dem Ausland erhalten, können diese Regeln nicht funktionieren. Daher wurde noch keine einzige Pipeline nach diesen Regeln gebaut. Privatinvestoren bauen keine Pipeline ohne Garantien. Also kann man entweder nur mit EU-Geldern bauen, oder man muss für einzelne Pipelines Ausnahmen aus dem dritten Energiepaket gewähren. South Stream wurde das verwehrt. Also bauen wir nun eine Pipeline in die Türkei. Von dort muss die EU die Weiterleitung selbst organisieren.

Miller sprach dieser Tage von einer Lieferpause. Meinte er, dass wenn die EU Turkish Stream nicht akzeptiert und der Transitvertrag mit der Ukraine 2019 ausläuft, die EU kein Gas mehr bekommt?

Im Prinzip geht es darum, dass wir ein entsprechendes Energiepaket geschnürt haben und nun Vorschläge seitens der EU erwarten. Wir sehen keine Möglichkeit, den Transitvertrag mit der Ukraine zu verlängern.

Diskutieren Sie Turkish Stream bereits mit der EU?

Wir haben das Projekt im Jänner präsentiert. Die EU spielt jetzt unterschiedliche Varianten durch. Wir warten.

Und wenn die EU sich weigert, eine Anschluss-Pipeline zu bauen?

So heißt das wohl, dass sie dieses Gasvolumen nicht braucht. Auch wir werden Varianten prüfen. Man müsste einfach im Energiedialog über diese Projekte übereinkommen. Leider kann ich derzeit an einen Willen dazu auf der EU-Seite nicht glauben. Die Politisierung dominiert über die Realität und die Wirtschaft. Die Politik sollte sich die Meinung von EU-Energiekonzernen anhören.

Was haben Sie mit Griechenlands Premier Tsipras neulich in Moskau vereinbart?

Es ging um laufende Fragen der Gaslieferungen. Der Liefervertrag wurde im Vorjahr bis 2026 verlängert. Offen sind Fragen zu verpflichtenden Abnahmemengen für 2014. Es gibt gewisse Bedingungen für eine Lösung.

Der Gaspreis wurde besprochen?

Ja. Die Formel wurde 2014 flexibilisiert, und der Preis sank durch den Ölpreis nun sehr.

Die Ukraine zahlt nun nur noch 248 Dollar je 1000 Kubikmeter. Ist der Preis für Griechenland vergleichbar?

Ja, er ist vergleichbar.

Aus Gazprom-Kreisen hört man, Athen habe keine interessanten Aktiva zur Privatisierung. Besteht dennoch Interesse?

Ich kenne nicht die ganze Privatisierungsliste. Der griechische Energieminister hat Russland die Teilnahme an der Erschließung von Schelflagerstätten für Öl und Gas angeboten. Das prüfen wir jetzt.

Wie sehr wirken sich die westlichen Sanktionen auf den russischen Ölsektor aus?

Das Hauptproblem ist der Zugang zu Finanzierungen bei jenen Konzernen, die unter Sanktionen stehen. Hier aber hat der Staat Finanzinstrumente entwickelt. Hinsichtlich Technologie haben wir kein Problem.

Wie sehr werden also die Investitionen im Energiesektor gekürzt?

Die Konzerne haben noch nicht entschieden. Es werden wohl um 20 bis 30 Prozent weniger sein als ursprünglich geplant. Gekürzt wird vor allem bei den teuren und schwierigen Projekten. Langfristig kann sich das auswirken. Im Moment fördern wir auf dem vorjährigen Niveau oder sogar etwas höher.

Welchen Ölpreis haben wir zu erwarten?

100 Dollar je Barrel werden wir in nächster Zeit nicht sehen. Für 2014 erwartete ich 60 Dollar, für 2016 bis 2017 dann 60–70 Dollar.

Wird mit Europa in den Energiedialog zurückkehrt?

Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Aber vielleicht schon bald?

Es ist alles zu sehr politisiert. Das ist ja das ganze Problem.

ZUR PERSON

Alexandr Nowak (43) ist seit 2012 russischer Energieminister. Zuvor war er vier Jahre Vize-Finanzminister. Beruflich groß geworden ist er im Metallsektor in der Nickelstadt Norilsk. Von 2002 bis 2008 war er Vizegouverneur des sibirischen Industriegebiets Krasnojarsk. Diesen Sommer soll Nowak als Vertreter der Regierung in die Aufsichtsräte der landesweit größten Energiekonzerne Gazprom, Rosneft und Rosset einziehen. [ EPA ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2015)

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