Es scheppert im Milliardenkonzern

Volkswagen Chief Executive Winterkorn attends the annual news conference of Volkswagen in Berlin
Volkswagen Chief Executive Winterkorn attends the annual news conference of Volkswagen in BerlinREUTERS
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Viele Marken, zu wenig Rendite und ein schwaches US-Geschäft: Das sind nur einige Probleme, mit denen der Volkswagen-Konzern zu kämpfen hat.

„Er läuft und läuft und läuft“: Wer erinnert sich nicht an den legendären Werbeslogan, der den VW-Käfer noch populärer und zum unverwüstlichen Mythos machte. Den Volkswagen gibt es nicht mehr (2003 lief der letzte vom Band). Auch bei seiner Mutter, dem gleichnamigen Konzern, läuft ganz abgesehen von den Querelen in der Führung nicht mehr alles rund. Das kann auch ein Umsatz von mehr als 200 Milliarden Euro und der Rekordgewinn von fast elf Milliarden Euro im Vorjahr nicht verdecken.

Die Wolfsburger, die sich mit ihrem japanischen Rivalen Toyota einen beinharten Rad-an-Rad-Kampf um die Weltspitze liefern, werden nicht nur von hohen Entwicklungskosten gebremst, die sich in einer schwachen Rendite bei der Kernmarke VW niederschlagen. Verdiente etwa Toyota im vergangenen Jahr pro Fahrzeug 1647 Euro, so schaffte VW lediglich 540 Euro. Es gibt eine ganze Reihe von Baustellen, die es zu erledigen gilt.

Von den hohen F&E-Kosten profitieren vor allem andere Marken wie Seat und Škoda. Die Marke mit dem VW-Logo ächzt hingegen unter einer zu großen Zahl an Ausstattungsvarianten und Fahrzeugmodellen. Das kostet. Im heiß umkämpften Mittelklasse-Segment, wo der Renner Golf angesiedelt ist, kann VW aber keine hohen Preise verlangen.

Allianz mit Suzuki platzte. Und im echten Billigsegment schafft es VW nicht, Fuß zu fassen. Die Allianz mit dem Kleinwagenspezialisten Suzuki ist geplatzt, weil sich die Japaner von VW dominiert sahen. Indes machen andere, beileibe nicht so profitable Konkurrenten wie Renault mit seiner Billigtocher Dacia das Geschäft.

Das Problem erinnert ein wenig an Nokia: Der finnische Konzern war unangefochtener Weltmarktführer bei Handys, die Modellvielfalt konnte er aber nicht in bare Münze umsetzen. Nokia verschlief zudem den Smartphone-Trend. VW schläft zwar nicht, aber auf dem wichtigen und riesigen US-Markt fristet der Konzern ein Nischendasein.

Anders als die Luxustochter Porsche kommt die Kernmarke jenseits des Atlantiks nicht in die Gänge – obwohl die Wolfsburger in Chattanooga ein neues Werk errichtet haben. Der extra auf den Geschmack der Amerikaner abgestimmte US-Passat verkauft sich nur schleppend, weil die Konkurrenz ihre Modelle schneller erneuert. Zudem hat VW im Land der Straßenkreuzer und Geländewagen keine entsprechenden Modelle im Angebot. Zu sehr hat man darauf gesetzt, dass die Spritpreise hoch bleiben und die Amis ihren großhubigen Schlitten ade sagen. Die von Winterkorn angekündigten großen SUVs kommen aber erst 2016/17. Bis dahin könnte VW jenseits des Atlantiks vollends ins Abseits geraten, fürchten Experten.

Der inzwischen weltgrößte Automarkt China kann einiges ausgleichen – dort ist VW mit 40 Prozent Marktführer. Diese Position, so meinen Beobachter, sollte aber nicht überbewertet werden. Denn der chinesische Markt wächst bei Weitem nicht mehr so rasant wie noch vor einigen Jahren. In den ersten Monaten 2015 sanken die Absätze der Kernmarke VW sogar.

Zwölf Marken. Unter Winterkorn ist das Imperium Volkswagen rasant gewachsen und umfasst nun zwölf sehr unterschiedliche Marken (VW plus Nutzfahrzeuge, Audi, Porsche, Bentley, Lamborghini, Bugatti, Ducati, Seat, Škoda, MAN, Scania). Diesen Bauchladen gilt es nicht nur zu managen, sondern auch Reibungsverluste und Leerläufe zu vermeiden. Winterkorn hat deshalb dem Konzern eine „Strategie 2018“ mit einem Einsparpotenzial von gut fünf Milliarden Euro verpasst.

Dazu gehört auch, die auf dem Modulsystem basierende Produktion auszudehnen. Bei dieser Baukastentechnik, auf der nun auch der neue Passat und der Familienwagen Touran basieren, werden baugleiche Komponenten in mehreren Modellen genutzt, was die Kosten um mindestens ein Fünftel senkt. Auch Toyota schlägt diesen Weg ein.

Die Herausforderung für den Tüftler und Qualitätsfreak Winterkorn geht aber noch weit über diese Probleme hinaus: Die digitale Vernetzung mit selbstfahrenden Autos dürfte die Branche revolutionieren. Dabei könnte Winterkorn glatt den Ärger über nicht scheppernde Lenkradverstellungen bei der Konkurrenz (die Szene bei der Automesse IAA 2011 ist berühmt geworden) vergessen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2015)

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