Sperrgebiet: Keine Straßen für fahrerlose Autos

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Selbstfahrende Autos sind der neueste Schrei auf sämtlichen Automessen. Die Technologie ist aber die kleinste Hürde auf dem Weg zum fahrerlosen Individualverkehr. Was fehlt, sind klare Regeln und die notwendige Infrastruktur.

Wien. „Das Automobil hat keine Zukunft. Es wird nie genügend Chauffeure geben“, prophezeiten Berater der New Yorker Regierung, als die ersten Autos in die Stadt drängten. Es kam anders, die Menschen fuhren einfach selbst. Doch inzwischen ist die Autoindustrie drauf und dran, auch dieses Problem zu lösen. Ihre Fahrzeuge werden in absehbarer Zeit ohne menschlichen Fahrer auskommen.

Schon heute schicken BMW, Daimler oder Volvo Wagen zu Testzwecken allein auf die Reise. Im nächsten Jahr will der US-Konzern Tesla ein Modell auf den Markt bringen, das zumindest auf der Autobahn selbstständig fahren kann. 2025 sollen dann erste vollautomatische Fahrzeuge folgen. Die Technologie selbst ist dabei das geringste Problem. Denn es fehlen nicht die Ideen der Ingenieure, sondern die Regeln für die Autopiloten in den Autos. Das ist die Conclusio einer Studie der Boston Consulting Group (BCG). Viele Fragen sind demnach offen: Wo dürfen Autos ohne Fahrer auf die Straße? Wer bezahlt, wenn es einen Unfall gibt? Und wie werden die Menschen reagieren, wenn es zur ersten computergenerierten Massenkarambolage kommt?

Autobahnen ohne Internet

Im Moment sind die meisten Straßen für selbst fahrende Autos ohnedies Sperrgebiet. In den USA dürfen sie in Nevada, Florida und Kalifornien fahren. In Europa hat Schweden eine Teststrecke, Deutschland plant eine. In Göteborg umkreisen selbst fahrende Autos von Volvo die Stadt. 2017 will der Konzern hundert Stück an Kunden übergeben. London und Shanghai wollen eigene Viertel exklusiv für den fahrerlosen Verkehr öffnen. Wirklich weit kommen fahrerlose Autos aber nirgendwo. Spätestens an den jeweiligen Ländergrenzen ist Schluss.

Nicht einmal die Grundvoraussetzungen würden hierzulande geschaffen, kritisiert Studienautorin Antonella Mei-Pochtler. Viele Länder in Europa hinken beim Ausbau der Infrastruktur hinterher. „In Österreich gibt es nicht einmal entlang der Autobahnen eine ausreichend sichere Breitbandverbindung“, so die Beraterin.

Die zweite große Baustelle tut sich bei den Versicherungen auf. Jeder zweite US-Autokäufer würde sich der Studie zufolge sofort ein selbst fahrendes Auto zulegen – in Erwartung niedrigerer Versicherungskosten. Zwar dürften die Unfälle – und damit die Versicherungskosten – tatsächlich sinken. Immerhin sind 90 Prozent aller Unfälle auf menschliche Fehler zurückzuführen. Doch wer letztlich haftet, wenn doch ein Fehler passiert, ist ungeklärt. Die Programmierer, die Autokonzerne oder die menschlichen Besitzer?

Das dritte Hindernis liegt in der Autobranche selbst. Zwar investieren viele Fahrzeughersteller enorme Summen in das Thema – auch um Konkurrenten wie Google oder Apple auf Distanz zu halten. So hat die Software der neuen Mercedes-S-Klasse 15-mal mehr Zeilen Programmcode als die Software der Boeing 787. Automatische Abstandsmesser, Lenkassistenten oder Einparksysteme sind längst Realität. Doch sind sie meist höheren Segmenten vorbehalten. Die Kosten der Systeme würden aber nur dann sinken, wenn sie auch bald in unteren Kategorien eingesetzt würden, so die Studie.

Lenken für Menschen verboten?

Teuer sind auch die selbst fahrenden Autos, die der IT-Konzern Google seit einigen Jahren quer durch die USA schickt. Anders als die Autohersteller hält Google wenig von der schrittweisen Entwicklung. Mit dem Fokus darauf, erst kleine Teile des Fahrens an den Computer zu delegieren, bremse sich die Branche selbst aus. Der Konzern will daher gleich ein komplett selbst fahrendes Auto auf den Markt bringen. Doch das ist auch für die Silicon-Valley-Ikone nicht so leicht.

Denn obwohl die Autos hunderte Kilometer ohne Fahrer unfallfrei hinter sich gebracht haben, sind sie weit davon entfernt, ausreichend Sicherheit zu bieten. Vor allem die Sensoren müssen verbessert werden, damit die Computer-Chauffeure auch bei höheren Geschwindigkeiten und im Stadtgebiet den Überblick bewahren und richtig reagieren können. Solang die Branche nicht mindestens fünf Jahre lang bewiesen habe, dass fahrerlose Autos Kosten sparen und absolut sicher sind, werde sich kein Politiker trauen, sie auf die Straßen zu lassen, meint BCG.

Zu früh, die notwendigen Rahmenbedingungen für die erwartete Revolution auf den Straßen zu schaffen, sei es deswegen aber nicht. Zumindest dann nicht, wenn Tesla-Chef Elon Musk recht behalten sollte: Heute bieten fahrerlose Autos noch zu wenig Sicherheit, räumte er kürzlich ein. „Aber eines Tages könnte es illegal sein, ein Auto selbst zu fahren – weil es zu gefährlich ist.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2015)

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