Drogen: Ökonomen plädieren für freies Kiffen

(c) REUTERS (JERRY LAMPEN)
  • Drucken

Führende deutsche Volkswirte machen sich für Cannabis stark. Eine Legalisierung bringe Steuereinnahmen und weniger Kosten. In den USA sprießt die Theorie um den Hanf schon länger.

Wien. Es sind sehr honorige Herren, die hier ihr Wort erheben – ein Wort, das auch in der deutschen Politik Gewicht hat: Lars Feld, der Wirtschaftsweise. Michael Hüther, als Leiter des IW Köln eine Art ökonomisches Sprachrohr der Unternehmer. Und Justus Haucap, der frühere Leiter der Monopolkommission. Keinen der drei kann man sich zugekifft auf einer Party oder in einem holländischen Coffeeshop vorstellen.

Auch ihre Argumente, mit denen sie in der „Wirtschaftswoche“ für eine Legalisierung von Cannabis plädieren, wirken weder von Wunschdenken benebelt noch von Ideologie berauscht. Das Kalkül ist nüchtern: Die restriktive Politik sei gescheitert, eine Freigabe weicher Drogen überfällig – gerade aus ökonomischer Sicht: So trockne man den Schwarzmarkt aus und verhelfe dem Staat zu mehr Steuereinnahmen. Zugleich reduziere man Kosten bei Polizei und Justiz.

Der kühne Vorstoß kommt zu einer Zeit, in der die scheinbar ewige Debatte neu in Fluss kommt. 122 deutsche Strafrechtsprofessoren haben vor einigen Monaten ein Manifest unterzeichnet, in dem sie die prohibitive Gesetzgebung für schädlich und viel zu teuer erklären – wenn nicht gar für verfassungswidrig. Auch Jugendrichter und der Bund der Kriminalbeamten fordern ein Umdenken. Zugleich mehren sich anderswo Versuche einer großzügigen Regelung. In den USA haben im Vorjahr die Bundesstaaten Colorado, Washington, Oregon und Alaska eine Kehrtwende vollzogen. Spanien erlaubt Eigenanbau, häuslichen Konsum und Kifferclubs mit eingetragenen Mitgliedern. Uruguay erließ 2013 die weltweit liberalsten Gesetze, ab heuer treten sie voll in Kraft (in allen Fällen bleibt der Konsum für Jugendliche unter 18 verboten).

Bis zu 3,5 Mrd. für den Fiskus

Nun folgen die Ökonomen mit ihren Zahlenspielen. Das IW Köln wagt sich an eine Schätzung, wenn auch in einer groben Bandbreite: zwischen 500 Mio. und 3,5 Mrd. Euro pro Jahr an zusätzlichen Einnahmen aus Mehrwert- und Einkommensteuer. Der obere Wert, heißt es auf Nachfrage der „Presse“, orientiere sich an Schweizer Zahlen, die extrapoliert wurden.

Deutlich höhere Einnahmen wären auf Basis eines Gesetzesentwurfs der deutschen Grünen zu erwarten, die legal erwerbbares Haschisch und Marihuana sowie Tabak oder Alkohol mit einer eigenen Steuer belegen möchten. Übrigens: Schon das Ende der Prohibition in den USA war 1933 stark durch die schwere Wirtschaftskrise motiviert – der Staat suchte fieberhaft nach neuen Geldquellen.

Man könnte die Steuer durchaus so ansetzen, dass der legale Preis über jenem auf dem Schwarzmarkt liegt, der wohl nicht ganz auszurotten ist. Denn die Konsumenten sind bereit, mehr zu zahlen, wenn sie sich damit juristischen Ärger und zwielichtige, womöglich gewaltbereite Dealer vom Leibe halten. Das zeigen erste Erfahrungen in Colorado. Und die Kosten der Exekutive? Zwischen 3,7 und 4,6 Mrd. Euro gibt der deutsche Staat jährlich im Kampf gegen Suchtmittel aus, ein bis zwei Milliarden entfallen auf weiche Drogen. Zwar werden von 145.000 Cannabis-Verfahren 95 Prozent als Bagatelldelikte eingestellt, aber die Aktenberge häufen sich auch so.

In den USA hat schon 2004 der Nobelpreisträger Gary Becker mit zwei Kollegen eine „Theorie der illegalen Güter“ modelliert und sich für Steuern statt Repression ausgesprochen. Der vehementeste Fürsprecher der Legalisierung ist Jeffrey Miron. Der Harvard-Ökonom will gleich alle Drogen freigeben. Seine Position ist die des radikalen Liberalen, der sich vom Staat sein Lebensglück auf keinen Fall beschneiden lassen will, solange er keinem anderen unmittelbar schadet. Mehrheitsfähig ist das nicht.

Nicht mehr Suchtkranke?

Denn bei alldem scheint die andere Waagschale zu fehlen: die Kosten für das Gesundheitssystem, das Süchtige mit den Mitteln aller Bürger zu behandeln hat. Die Ökonomen müssen also zumindest implizit davon ausgehen, dass die Zahl der Suchtkranken durch die Liberalisierung nicht oder nur wenig steigt. Dafür gibt es freilich gute Indizien: In Holland, wo Haschisch und Marihuana in Coffeeshops legal erhältlich sind, ist der Anteil der Kiffer mit 16 Prozent der 15- bis 34-Jährigen kaum höher als in Deutschland (15 Prozent) und deutlich niedriger als in Frankreich und Großbritannien (20 Prozent).

Ähnliche Erfahrungen machte man in Portugal. Schon 2001 wurde dort der Konsum und Besitz aller Drogen zwar nicht erlaubt, aber entkriminalisiert: Wer mit kleinen Mengen erwischt wird, riskiert maximal eine Ordnungswidrigkeit wie beim Falschparken. 2009 stellten die Drogenbeobachter der EU fest: Ältere Portugiesen konsumierten in der Folge nur geringfügig mehr Drogen, Junge sogar weniger. Vermutlich, weil der Reiz des Verbotenen weggefallen ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

vertrackte oekonomie Drogen
International

Die vertrackte Ökonomie der Drogen

40 Jahre "Krieg gegen die Drogen" zeigen: Das Verbot von Drogen funktioniert nicht. Prominente Ökonomen fordern die Legalisierung.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.