Gas: Poker um Milliarden aus Moskau

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Russlands Konzern Gazprom verhandelte am Dienstag in Athen über ein milliardenschweres Abkommen. Unterzeichnet wurde aber noch nichts. Die EU will indes Gazprom klagen.

Moskau. Die Verhandlungen zwischen Athen und Moskau über das Pipeline-Projekt „Turkish Stream“ sind nach Angaben des griechischen Energieministers Panagiotis Lafazanis auf einem guten Weg. „Wir haben sehr konstruktive und gehaltvolle Gespräche geführt“, sagte Lafazanis gestern in Athen nach einem Treffen mit dem Chef des russischen Gasprom-Konzerns, Alexej Miller. Die Verhandlungen seien auf einem „zufriedenstellenden Stand“.
Er hoffe auf eine Einigung in dieser für Griechenlands Wirtschaft wichtigen Frage, sagte Lafazanis. Es sei aber noch „nichts unterzeichnet“ worden. Gasprom-Chef Miller kam bei seinem Besuch in Athen auch mit dem griechischen Regierungschef Alexis Tsipras zusammen.

Sollte es tatsächlich dazu gekommen sein, könnte Griechenland drei bis fünf Mrd. Euro erhalten – und zwar als Vorschuss für künftige Transitgebühren, wie mehrere Medien am Wochenende berichtet haben. Offiziell bestätigt wurde das nicht. Schließlich ist ungewiss, wer den Pipelineabschnitt durch Griechenland finanzieren soll. Und auch zwischen Russland und der Türkei besteht ja bislang nur eine Absichtserklärung über Turkish Stream, die ab 2017 Gas aus Russland für die EU bis in die Türkei liefern und so den bisherigen Gastransit durch die Ukraine überflüssig machen soll.

Griechenland brauchte das Geld wie die Luft zum Atmen. Um die letzten Ressourcen zusammenzukratzen, zwingt die Regierung seit Wochenbeginn sogar alle staatlichen Institutionen und öffentlich-rechtlichen Betriebe per Erlass, ihre Geldeinlagen an die Zentralbank zu überweisen. Damit sollen fällige Schulden an den Internationalen Währungsfonds (IWF) und andere Verpflichtungen bezahlt werden. Athen hofft bei den Staatsbetrieben auf rund drei Mrd. Euro.
Vor dem Treffen der Euro-Finanzminister an diesem Freitag in Lettland verhandeln Experten indes unter Hochdruck über ein griechisches Reformpaket. Einem Insider aus Brüssel zufolge wollen die Finanzminister der Eurozone eikünftig auf Fristen für Reformvorschläge aus Athen verzichten. Dies habe sich als keine gute Politik herausgestellt, weil Terminziele zu riskanten Verhandlungsstrategien führten.

EU attackiert Gazprom

Dass die EU sich nicht mehr reflexartig gegen ein russisches Engagement in Griechenland wehrt, hat zuletzt der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) angedeutet: „Alles, was Griechenland hilft, ist gut“, so Schäuble. Seitens Gazprom, das Griechenlands Gasbedarf zu 60% deckt, könnte das auch ein niedrigerer Gaspreis sein. Infrage käme eine von Athen angebotene Teilnahme an der Erschließung von Schelf-Lagerstätten. Man prüfe dies, so Russlands Energieminister, Alexandr Nowak, vorige Woche zur „Presse“.
Ein Dorn im Auge der EU bleibt freilich die Pipeline Turkish Stream, weil Brüssel sich um den Weitertransport aus Griechenland bis in andere EU-Länder selbst kümmern müsste.

Es mag kein kausaler Zusammenhang sein, aber ins Auge springt doch, dass die EU-Wettbewerbshüter nach zweieinhalb Jahren Ermittlungen Insidern zufolge just noch in dieser Woche Klage gegen Gazprom einreichen werden. Und zwar wegen des Verdachts, dass Gazprom in Osteuropa zu hohe Preise verlangt und den Wettbewerb behindert habe, sagten zwei EU-Vertreter am Montag. Eine Liste der Vorwürfe dürfte am Mittwoch übergeben werden.

Brüssel droht Gazprom mit einem Bußgeld von bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes, der bei 100 Mrd. Dollar (92,9 Mrd. Euro) liegt. Gazprom hat sich laut Reuters immer um eine amikale Lösung bemüht. Die jetzige Klage verbinden Beobachter auch mit der generell schärferen Gangart von EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. (est/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2015)

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