Siemens-Chef: Geld aus Texas statt Ananas in Alaska

Key Speakers At IHS CERAWeek 2015 Energy Conference
Key Speakers At IHS CERAWeek 2015 Energy ConferenceBloomberg
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Vor Ölmanagern in Texas spottet Siemens-Chef Joe Kaeser über die Energiewende. Solange er noch gut an ihr verdient hat, hörte man davon nichts.

"Wer in Deutschland Solarkraft fördern will, kann gleich versuchen, in Alaska Ananas anzubauen". Zugegeben, ganz neu ist der nicht. Aber für einen Saal voller Ölmanager in Texas reicht der alte Schenkelklopfer allemal. Neu ist, wer die Amerikaner hier mit Witzen über die Energiewende bei Laune hält: Joe Kaeser, Chef des deutschen Industriekonzerns Siemens. Und er legt nach: Wer je über die Energiepolitik eines Staates bestimmen müsse, solle einfach das Gegenteil dessen tun, was in Berlin passiert sei.

Nicht, dass der Manager damit so falsch liegen würde. Zu hohe Förderungen hatten einen ungesunden und teuren Ökoenergie-Boom zur Folge. Nur, zu verdanken haben das die Deutschen auch Firmen wie Siemens selbst. Der frühere Atomkonzern ergrünte rasch zum Vorreiter der Energiewende. 2011 setzte das Unternehmen fast jeden zweiten Euro mit grüner Technik um. Der subventionierte Radikalumbau der Energielandschaft war fixer Bestandteil der Strategie, die Kaeser als Finanzchef mittrug. Bürger und Staaten würden die Kosten für die Ökologisierung anfangs gerne zahlen, so das Kalkül. Siemens würde Wind- und Solaranlagen liefern. Später, wenn der Rest der Welt unter dem Druck hoher Ölpreise Deutschland reumütig folgt, würde Siemens wieder gut verdienen.

Ein kritisches Wort aus der Siemens-Führung über die Energiewende? In dieser Zeit undenkbar.

Doch es sollte anders kommen. Der Ölpreis sank und die grüne Energie sorgte auch bei Siemens vor allem für schlechte Schlagzeilen. Der Konzern schaffte es nicht, Windräder in der Nordsee rechtzeitig ans Netz zu bringen, den Einstieg ins Solargeschäft verpatzten die Münchner komplett.

2013 wurde die Sparte mit großem Verlust abgestoßen und der Sinneswandel eingeläutet. Auf einmal war die Energiewende nicht mehr lukrativ und notwendig, sondern ein Fehler. Noch einmal: Die Kritik mag berechtigt sein, aber sie kommt (zu) spät und – schon wieder – aus Kalkül. Denn es ist fraglich, ob hier ein Konzern wirklich seine Courage entdeckt oder doch nur den Kunden von morgen nach dem Mund redet. Wo Siemens diese finden will, hat Kaeser mit einer Personalentscheidung deutlich gemacht: Lisa Davies wird den Energiebereich übernehmen. Ihr Büro steht schon. In Houston, Texas, dem Zentrum der US-Ölindustrie.

Mails an: matthias.auer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2015)

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