Nach Piëch-Rücktritt: VW braucht eine neue "Machtbalance"

Ferdinand Piech
Ferdinand PiechAPA/dpa/Marcus Brandt
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Piëch verliert den Machtkampf und geht. Branchenexperten zufolge ist der Machtpoker durch den Rücktritt noch nicht zwingend vorüber.

Mit einem Rücktritt von VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piech ist der beispiellose Machtkampf bei Volkswagen zu Ende gegangen. Eine jahrzehntelange Ära bei Europas größtem Autokonzern geht so zu Ende. Der 78-jährige Piech trat am Samstag überraschend mit sofortiger Wirkung von seinem Amt zurück, wie VW mitteilte. Begründet wurde dies mit einem zerrütteten Verhältnis zu den anderen Mitgliedern des innersten VW-Machtzirkels - dem Betriebsrat, dem Land Niedersachsen und der Familie Porsche. Der frühere IG-Metall-Vorsitzende Berthold Huber übernimmt im Aufsichtsrat kommissarisch den Vorsitz. Der 65-Jährige wird damit kurzzeitig zum Nachfolger von Piech. Huber soll auf jeden Fall die Hauptversammlung von VW am 5. Mai leiten. Bis wann dann ein richtiger Nachfolger Piechs gefunden wird, ist offen.

Piech war vor zwei Wochen von VW-Vorstandschef Martin Winterkorn abgerückt. Dies hatte eine Führungskrise ausgelöst, die auch zu einem Konflikt zwischen den Familien Porsche und Piech führte. Die beiden Familien halten die Stimmenmehrheit an VW. Auch Piëchs Ehefrau Ursula gibt ihr Mandat im Aufsichtsrat ab.

Tiefer Einschnitt

Der Rückzug Piëchs bedeutet eine tiefe Zäsur bei Volkswagen. Piëch, der Enkel des legendären Autokonstrukteurs Ferdinand Porsche, war von 1993 bis 2002 VW-Chef und überwachte den Konzern anschließend als Aufsichtsratschef. Er galt lange Zeit als das VW-Machtzentrum und hatte zahlreiche Konflikte für sich entschieden.

Nach der Demontage seines langjährigen Wegbegleiters Winterkorn aber stand Piech zunehmend auf verlorenem Posten. VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil und auch Piëch-Cousin und VW-Aufsichtsrat Wolfgang Porsche stärkten Winterkorn den Rücken.

"Die Diskussion der vergangenen zwei Wochen ist schädlich gewesen für Volkswagen", sagte Weil am Samstag in Hannover. Das Land Niedersachsen ist VW-Großaktionär. Das Präsidium des Aufsichtsrates habe deshalb die "notwendige Klarheit" schaffen müssen. Der frühere IG Metall-Chef Huber sprach von einem Vertrauensverlust zwischen Piech und dem Rest des Präsidiums, "der sich in den letzten Tagen als nicht mehr lösbar erwiesen hat".

Experte: "VW muss sich neu strukturieren"

Piechs Rücktritt war am Samstagnachmittag ein erneutes Krisentreffen der Aufsichtsratsspitze vorausgegangen. Das Gremium versammelte sich nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur in Braunschweig am Flughafen. Am Ende der mehrstündigen Beratungen stand fest, dass Piech gehen wird. Der Sprecher der Familie Porsche, Wolfgang Porsche, sagte: "Wir haben volles Vertrauen in die Unternehmensführung der Volkswagen AG und bedauern die Entwicklung der letzten Tage."

Bei der Suche nach einem Nachfolger für Piech an der Spitze des Aufsichtsrates will sich das Gremium Zeit lassen. "Der Aufsichtsrat ist arbeitsfähig, das Management ist voll funktionsfähig", sagte Weil. Es gebe keinen Grund zur Eile - Ziel sei es, dass das Gremium einen einstimmigen Vorschlag unterbreite. Ob Winterkorn dabei eine Rolle spiele, wollten weder Weil noch Huber kommentieren. "Wir werden dazu keine Aussagen machen. Wir wollen keine Personaldebatte mit einer anderen ablösen", betonte Weil.

Branchenexperten sehen den Autokonzern nach dem Rücktritt Piëchs vor großen Herausforderungen. "Eine neue Machtbalance muss gefunden werden", sagte Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach, am Sonntag der dpa. "Der Konzern muss sich mittelfristig strukturell neu aufstellen und dezentraler organisiert werden." Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg-Essen sagte, "strahlender Gewinner" des Machtkampfs sei die Allianz aus dem Arbeitnehmerflügel sowie dem Land Niedersachsen. Dieser Allianz gehe vor allem um die Arbeitsplätze im "Hochlohnland Deutschland". Ob VW damit langfristig auf der Gewinnerseite stehe, sei ungewiss.

"Opfer seines eigenen Führungsstils"

Bratzel kommentierte den Rücktritt Piëchs als "tragisches Ende" einer großen Lebensleistung. "Ein Stück weit wird er selbst Opfer seines eigenen Führungsstils." Die Art des erzwungenen Rücktritts ähnele in Form und Stil stark an die durch Piëch in der Vergangenheit initiierten Personalveränderungen.

Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg-Essen sagte, "strahlender Gewinner" des Machtkampfs sei die Allianz aus dem Arbeitnehmerflügel sowie dem Land Niedersachsen. Dieser Allianz gehe vor allem um die Arbeitsplätze im "Hochlohnland Deutschland". Ob der Konzern damit langfristig auf der Gewinnerseite stehe, sei ungewiss.

Zur Zukunft Piëchs sagte Dudenhöffer, er würde nicht ausschließen, dass Piëch nun auch seine Anteile der Porsche Holding verkaufe, unter deren Dach der VW-Konzern mehrheitlich steht. "Piech ist überzeugt, dass der Weg, den VW geht, der falsche ist. Die gewinnschwache Kernmarke ist das Hauptproblem, zusammen mit den Versäumnissen und der Modellschwäche auf dem US-Markt."

Branchenanalyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler sagte, es sei ein Machtkampf gewesen, bei dem es nur einen Sieger geben konnte. "Ich denke, die Klarheit in der Führungsfrage hilft VW."

(APA/Dpa)

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