Ein Gewerkschafter an der Macht

Machtwechsel. Berthold Huber steht nach Piëchs Abgang nun dem VW-Aufsichtsrat vor.

Wien.Ausgerechnet ein Gewerkschafter wird am 5.Mai die Hauptversammlung von Volkswagen, also das Aktionärstreffen eines der größten Konzerne Deutschlands, leiten. Eine Konstellation, die nicht alle Tage vorkommt.

Berthold Huber steht nach dem spektakulären Rücktritt des VW-Patriarchen, Ferdinand Piëch, seit Samstagabend dem Aufsichtsrat des Konzerns jedenfalls temporär vor. Stephan Weil, der niedersächsische Ministerpräsident, streute Huber nach Piëchs Abdankung großzügig Rosen. Weil ist selbst Mitglied des Aufsichtsrats, zumal das Bundesland 20 Prozent der Anteile an dem Autokonzern hält. Es sei der einhellige Wunsch gewesen, dass Huber die Führung der Geschäfte von Piëch zunächst kommissarisch übernehme, sagt Weil vor der Presse: „Er hat dabei die ausdrückliche Unterstützung der Anteilseigner.“ Doch wer ist der Mann, der von heute auf morgen ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt ist?

1950 wurde Huber in Ulm geboren, ließ sich zum Werkzeugmacher ausbilden und wurde Betriebsrat. Alsbald arbeitete der Sozialdemokrat hauptamtlich für die Gewerkschaft. Bis November 2013 war Huber der Chef der größten Industriegewerkschaft, der IG Metall, und dabei hatte er reichlich Gelegenheit zu beweisen, dass er das Schiff auch in schwierigen Zeiten auf Kurs halten kann. Mit Kurzarbeit sicherte er die Arbeitsplätze in den IG-Metall-Betrieben, die von der Finanzkrise 2009 besonders stark betroffen waren. Auch die Idee der sogenannten Abwrackprämie soll damals von Huber gekommen sein. Für die Verschrottung von Altfahrzeugen erklärte der Bund sich bereit, Prämien in der Höhe von 2500 Euro zu zahlen. Mit dieser Maßnahme sollte der Neukauf von Autos in Deutschland gestützt und der Verlust von Arbeitsplätzen verhindert werden.

Nun soll Huber, der als Pragmatiker und Vermittlungskünstler gilt, eine wichtige Rolle bei der Suche nach dem neuen Aufsichtsratsvorsitzenden von Volkswagen spielen. Beide Eigenschaften werden in den nächsten Wochen bei dem Spekulationspoker um die machtreiche Funktion gefragt sein. Ziel sei es nämlich, so der niedersächsische Ministerpräsident Weil, dass das Gremium einen einstimmigen Vorschlag unterbreite. (hec) [ EPA ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2015)

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