Wohin steuert VW ohne den Patriarchen Piëch?

(c) REUTERS (FABIAN BIMMER)
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Der langjährige VW-Aufsichtsratschef, Ferdinand Piëch, tritt zurück. Im Konflikt mit VW-Chef Winterkorn zog er den Kürzeren. Der Patriarch bleibt Großaktionär und hinterlässt einen Konzern mit vielen offenen Fragen.

Wien. 20 Jahre lang war sein Wort bei Volkswagen Gesetz. Erst als Firmenchef, dann im Aufsichtsrat, war es stets Ferdinand Piëch, Enkel des legendären Autobauers Ferdinand Porsche, der die Fäden zog. Mit einem Paukenschlag ging diese Ära in der Nacht auf Sonntag zu Ende: Der 78-Jährige trat von allen Ämtern im VW-Konzern zurück. Auch seine Frau Ursula verabschiedete sich aus dem Aufsichtsrat.

Damit zieht Piëch die Konsequenz aus dem verlorenen Machtkampf gegen seinen früheren beruflichen Ziehsohn und VW-Chef Martin Winterkorn. Vor zwei Wochen hatte Piëch plötzlich durchklingen lassen, dass er dessen Abschied von VW begrüße. Doch anders als in den Jahren zuvor reichten die Worte des Patriarchen diesmal nicht. Andere mächtige Vertreter im Kontrollgremium stellten sich gegen ihn: der Betriebsrat, das Land Niedersachsen, zwischen den Familien Porsche und Piëch, die zusammen die Mehrheit halten, kam es erneut zum Zerwürfnis. Piëch verlor und trat ab. Zurück bleiben ein weitverzweigter Konzern und viele Fragen.


•Wer wird VW künftig führen? Schon bisher galt VW mit seinen 600.000 Mitarbeitern als schwer lenkbares Ungetüm. Jahrelang kritisierten Experten die Machtfülle in den Händen des Führungsduos Piëch/Winterkorn. Nun fällt eine Säule und stellt die Führungsarchitektur infrage. „Eine neue Machtbalance muss gefunden werden“, so Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management. „Der Konzern muss dezentraler organisiert werden.“ Schon werden Stimmen laut, die Winterkorn in den VW-Aufsichtsrat wegloben wollen und einen Generationenwechsel im Konzern wünschen. Winterkorn ist 68 Jahre alt.

•Ist VW noch auf Kurs? In seinen acht Jahren bei VW konnte Winterkorn Gewinn und Umsatz verdoppeln. Doch der weltweit zweitgrößte Autobauer mit zwölf Marken bremst sich zunehmend selbst aus. Ausgerechnet die Kernmarke VW liefert zu wenig Gewinnmarge. Alle bisherigen Sanierungsversuche scheiterten. Zudem leidet der Konzern an einer zu starken Konzentration auf China, falschen Modellen in den USA und dem Unvermögen, wirklich billige Autos herzustellen.


•Wer sind die Gewinner des Rücktritts? Glaubt man Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft an der Uni Duisburg-Essen, haben die Gewerkschaft und das Land Niedersachsen am meisten Einfluss gewonnen. Deutlich wird das in der Person Berthold Huber (s. Porträt), der als Gewerkschafter den VW-Aufsichtsrat führen wird. Der Allianz gehe es um die Arbeitsplätze im „Hochlohnland Deutschland“, so Dudenhöffer. Alles andere als ein Garant für den Erfolg von VW.


•Ist Piëch wirklich weg? Ferdinand Piëch hat bei VW zwar kein offizielles Amt mehr, hält über die Porsche Holding SE zusammen mit der Porsche-Familie aber immer noch die absolute Mehrheit am Konzern. Entsprechend deutlich wird er wohl auch bei der kommenden Hauptversammlung am 5. Mai seine Meinung kundtun. Er könnte den Machtpoker als graue Eminenz im Hintergrund prolongieren – oder aber seine Anteile verkaufen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2015)

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