"Brexit" könnte Großbritannien mehr als 300 Mrd. Euro kosten

A pigeon flies past  the Big Ben clock tower in central London
A pigeon flies past the Big Ben clock tower in central LondonREUTERS
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Laut einer Studie des deutschen ifo-Instituts wäre der britische EU-Austritt ein Verlustgeschäft - für alle in Europa.

Wenn Großbritannien aus der EU austreten sollte, könnte das einer neuen Studie zufolge teuer werden - und zwar vor allem für die Briten selbst. Ein sogenannter "Brexit" könnte das Land mehr als 300 Milliarden Euro kosten, heißt es in einer am Montag veröffentlichten Studie der Bertelsmann Stiftung und des ifo-Instituts München. Die anderen EU-Staaten wie Österreich hätten demnach nur geringere Verluste.

"Schon allein ökonomisch wäre ein BREXIT ein Verlustgeschäft für alle in Europa, allen voran für die Briten", sagte der Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung, Aart De Geus. "Neben den wirtschaftlichen Folgen wäre dies aber vor allem auch ein herber Rückschlag für die europäische Integration sowie Europas Rolle in der Welt." Jede Weichenstellung durch die Parlamentswahl am 7. Mai hin zu einem EU-Austritt würde die Gemeinschaft schwächen. Premierminister David Cameron hat für den Falle seiner Wiederwahl ein Referendum über den EU-Verbleib in Aussicht gestellt.

Starke Verluste für Chemieindustrie

"Ein Austritt aus der EU würde dabei vor allem die Kosten des Handels zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich erhöhen und die Handelsaktivitäten verringern", heißt es in der Studie. Einzelne britische Branchen würden unterschiedlich hart getroffen. Die Chemieindustrie könnte dabei fast elf Prozent ihrer Wertschöpfung einbüßen, die Finanzdienstleister knapp fünf Prozent.

Zu den Ländern, die in Europa durch einen "Brexit" überdurchschnittlich hohe Einbußen verzeichnen müssten, gehören laut der Bertelsmann Stiftung allen voran Irland, gefolgt von Luxemburg, Belgien, Schweden, Malta und Zypern.

"Sehr begrenzte" Auswirkungen auf Österreich

Die Auswirkungen auf Österreich wären bei einem Rückgang der Handelsaktivitäten "sehr begrenzt", sagte Thieß Petersen, Senior Expert bei der Bertelsmann Stiftung, auf Anfrage der APA. Im Falle eines "sanften Ausstiegs", eines Status ähnlich jenem Norwegens oder der Schweiz, wo Großbritannien "quasi wie ein EU-Land behandelt" würde, wäre das reale BIP je Einwohner im Jahr 2030 in Österreich um 0,05 Prozent niedriger als bei einem Verbleib Großbritanniens in der EU. Sollten "sämtliche Privilegien" wegfallen, die sich für Großbritannien aus der EU-Mitgliedschaft und den Freihandelsabkommen ergeben, würde dies einen Rückgang von 0,2 Prozent des realen BIP je Einwohner in Österreich bedeuten.

Erhoben wurden vom ifo-Institut auch die möglichen Auswirkungen auf die Zahlungen der anderen Mitgliedstaaten für das EU-Budget. "Wenn die Briten aussteigen, gehen wir davon aus, dass das für Österreich zusätzliche Bruttozahlungen von 277 Millionen Euro pro Jahr bedeuten würde", sagte Petersen. Die Berechnungen basierten auf den letzten vorliegenden Zahlen von 2013. Deutschland müsste laut den Erhebungen als größter Nettozahler jährlich zusätzlich 2,5 Milliarden Euro brutto beisteuern.

"Sanfter Ausstieg"?

Ein "sanfter Ausstieg" wäre für die Briten "der beste Fall", so Petersen. "Ich glaube nicht, dass es zu einer kompletten Isolation kommt." Für die Studie seien "zwei Extreme" angenommen worden. "Die Realität wird irgendwo dazwischenliegen."

Wie heftig ein "Brexit" die britische Wirtschaft träfe, hinge vom Ausmaß der Abschottung nach einem Austritt ab, schreiben die Wissenschafter. Die Studie geht davon aus, dass nach einem möglichen Austritt im Jahr 2018 etwa zwölf Jahre später, also 2030, die Folgen voll spürbar würden. Je nach Szenario könnte das reale BIP je Einwohner dann zwischen 0,6 und drei Prozent geringer ausfallen, als es ohne "Brexit" der Fall wäre.

(APA/dpa/Reuters)

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